Über diese Ausstellung

Die virtuelle Ausstellung zur Geschichte des jüdischen Lebens in Weimar ist das Ergebnis des Projektes „Jüdisches Leben in Weimar und die Mechanismen seiner Ausgrenzung“ des gemeinnützigen Vereins Lernort Weimar e.V.
Die Form einer Ausstellung im Internet – von der ersten Idee her der Corona-Pandemie geschuldet – bietet nicht nur die Möglichkeit, sie mit sich auf dem Smartphone oder Tablet herumzutragen, sie immer „dabei“ zu haben. Sie eröffnet auch die Chance einer Erweiterung und Veränderung der Inhalte, denn solch ein Projekt ist nicht „fertig“, sondern hat nur eine Deadline – in diesem Fall den Dezember 2021.

Zwischen Anwerbung und Auslöschung – Spuren jüdischen Lebens in Weimar

Unter diesem Titel soll die Ausstellung exemplarisch Lebenswege von Juden oder als Juden gesehenen Menschen im Stadtbild begreifbar machen, ausgewählte Orte darstellen, die im Zusammenhang mit dem jüdischen Leben in Weimar stehen, und auf die geschichtlichen Hintergründe antijüdischer Stereotype hinweisen.

Grundsätzlich haben wir die Frage, wer jüdisch ist, als eine Frage des Selbstverständnisses der jeweiligen Menschen behandelt. Um aber die Entrechtung und Verfolgung im Nationalsozialismus darzustellen, kommen wir auch auf Menschen zu sprechen, die laut der nationalsozialistischen Rassenlehre als jüdisch bezeichnet wurden, sich selbst aber nicht so begriffen.

Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten in der sich über die Jahrhunderte entwickelnden thüringischen und besonders weimarischen Gesellschaft. Eine spezifische Vorstellung jüdischer Kultur und Religion kann dieses Projekt nicht leisten, wir verweisen hierfür auf zahlreiche spannende Veranstaltungen und Initiativen, die insbesondere das Themenjahr „Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen“ ausgestaltet haben.

Projekte zum jüdischen Leben in Thüringen

Yiddish Summer Weimar

Achava-Festspiele Thüringen

Virtuelle Rekonstruktion der Großen Synagoge in Erfurt

Die jüdisch-israelischen Kulturtage in Thüringen

Veranstaltungen zum Jüdischen Leben in Erfurt

Virtuelle Ausstellung zum jüdischen Schrifttum an der ThULB Jena

Projekte im Rahmen von Jüdisches Leben erfahren

Inter Judeos – Ausstellung zum mittelalterlichen jüdischen Quartier in Erfurt

Die von dieser Ausstellung versuchte „Sichtbarmachung“ der Teilhabe von Juden und Jüdinnen an der hiesigen Gesellschaft soll helfen, antisemitischen Ressentiments entgegenzutreten. Sie soll Interesse und Neugier für die eigene Geschichte und die unserer Nachbarn wecken. Aber hier ist nur ein Anfang gemacht – es gäbe noch vieles, auch Notwendiges, zu ergänzen. Wir hoffen, diese Ergänzungen nach und nach leisten zu können.

Jüdinnen und Juden werden ab dem 14. Jahrhundert als in Weimar wohnhaft genannt, die bekannten Überlieferungen für die folgenden Jahrhunderte sind jedoch recht spärlich.
Bis zur Bildung einer neuen Gemeinde im 18. Jahrhundert wurde die rechtliche Gleichstellung von Juden in den sich bildenden europäischen Nationalstaaten unterschiedlich angegangen: Mit der sich aus dem Naturrecht entwickelnden Idee der Menschenrechte wurde auch die jüdische Gleichberechtigung im 18. und 19. Jahrhundert stärker debattiert, und mit der Französischen Revolution begann ein Emanzipationsprozess, der über lange Zeit und mit vielen Rückschlägen zur Zuerkennung der Bürgerrechte für jüdische Menschen führte.
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Arbeit Charles Darwins „Über die Entstehung der Arten“ führte in Europa zur Diskussion der Frage, ob das Judentum als ein Volk, eine Nationalität oder eine Glaubensrichtung gelte. Die modernen, d.h. seit dem 18./19. Jahrhundert geführten Debatten um die Frage, was das Judentum ausmacht oder was „Jude“ zu sein bedeutet, wurden in der Folge auch um einen biologistischen Aspekt erweitert – nun nahm man an, es gebe Menschenrassen, und die jüdische Gemeinschaft stelle eine solche dar. Bekanntermaßen endete in Deutschland die durch deutsch-völkische Protagonisten und Organisationen und etwas später durch die Nationalsozialisten betriebene Einstufung „der Juden“ als „Rasse“ im Holocaust.
Diese Stufen eines Prozesses der Annäherung und Entfremdung, des Miteinanders und der Ausgrenzung skizziert die Ausstellung nach und blickt dabei immer wieder auf die Stadt Weimar, meist hervorgehoben in blauen, aufklappbaren Informationskästen.

Wir wünschen den Besucherinnen und Besuchern dieser Ausstellung interessante Einblicke auf den Spuren jüdischen Lebens in Weimar.

Das Projektteam des Lernort Weimar e.V.

Wir danken

Dr. Harry Stein, Kustos der Gedenkstätte Buchenwald, ohne dessen Hinweise und Arbeiten zum jüdischen Leben in Weimar es diese Ausstellung nicht gäbe

Für unzählige kreative und konzentrierte Stunden der Mitarbeit an der Ausstellung:

Anke Zapf
Celia Domaratius
Anke Lerp
Dörte Ernst

Für die finanzielle Ermöglichung des Projekts „Jüdisches Leben in Weimar und die Mechanismen seiner Ausgrenzung“:

Lokaler Aktionsplan Weimar
Landesprogramm Thüringen „Denk bunt“
Bundesprogramm „Demokratie leben“
Staatskanzlei Erfurt

Für freundliche und rasche Publikationsgenehmigungen sowie Hilfe bei der Recherche:

Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, Dr. Frank Boblenz und Volker Graupner
Jüdische Landesgemeinde Thüringen, Prof. Dr. Reinhard Schramm
Stadtarchiv Weimar, Dr. Jens Riederer und Uta Ninnemann
Archiv der Gedenkstätte Buchenwald, Sabine Stein

Für die Anfertigung von Transkriptionen:

Judith Gloria Pörschke
Antonia Petereit

Für die Anfertigung und Bereitstellung vieler Fotografien:

Marco und Sascha Willms
Sandra Völler

Für spontane Unterstützung:

Gunter und Katja Demnig
Christian Molitor
Ursula Seeger, Stadtverwaltung Weimar
Franka und Gitta Günther

Autorinnen und Autoren der Ausstellung

Antonia Petereit: Jüdischer Friedhof in Weimar
Christian Molitor: Familien Elkan, Ulmann und Callmann
Jonny Thimm und Steffi von dem Fange

Quellen (Auswahl) und weiterführende Literatur

Eva Schmidt: Jüdische Familien im Weimar der Klassik und Nachklassik, Weimar 1993, Stadtmuseum

Harry Stein, Erika Müller: Jüdische Familien in Weimar, Weimar 1998, Stadtmuseum

Michael Brenner: Kleine jüdische Geschichte, München 2008, Beck

Maike Lämmerhirt: Juden in den wettinischen Herrschaftsgebieten. Recht, Verwaltung und Wirtschaft im Spätmittelalter, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2007

Stefan Litt: Juden in Thüringen in der Frühen Neuzeit (1520-1650), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2003

Ulrike Schramm-Häder: Jeder erfreuet sich der Gleichheit vor dem Gesetze, nur nicht der Jude. Die Emanzipation der Juden in Sachsen-Weimar-Eisenach (1823–1850), Jena 2001, Urban & Fischer

Ismar Elbogen, Eleonore Sterling: Die Geschichte der Juden in Deutschland, Hamburg 1993, Europäische Verlagsanstalt

Jüdisches Leben in Deutschland, Informationen zur politischen Bildung Nr. 307/2010, Bundeszentrale für politische Bildung

Monika Gibas (Hg.): “Arisierung” in Thüringen – Entrechtung, Enteignung und Vernichtung der jüdischen Bürger Thüringens, Quellen zur Geschichte Thüringens, Erfurt 2008, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen

Volker Mauersberger: Hitler in Weimar. Der Fall einer deutschen Kulturstadt, Berlin 1999, Rowohlt

Carsten Liesenberg und Harry Stein (Hg.): Deportation und Vernichtung der Thüringer Juden 1942, Quellen zur Geschichte Thüringens, Erfurt 2012, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen

Die jüdischen Gemeinden und Vereine in Deutschland, Berlin-Halensee 1906, Verlag des Bureaus für Statistik der Juden

Harry Stein: Samuel Lublinski in Weimar – ein beinahe unheimlicher Gast, in: Weimarer Kulturjournal, Nr. 1/2001, Thüringer Kulturrat e.V.

Ludwig Geiger, Die Deutsche Literatur und die Juden, Kap. „Goethe“, 1910

Marion Kaplan: Geschichte des jüdischen Alltags in Deutschland. Vom 17. Jahrhundert bis 1945, München 2003, C.H. Beck

Bernhard Post: Kulturverlust, Friedrich-Ebert-Stiftung, Weimar 2002

Alemannia Judaica

Literaturkritik.de