Freiligrathstraße

  

Mit dem Bau des Partei- und Verwaltungsbautenkomplexes, dem sogenannten Gauforum, gingen umfangreiche Abrisse von als „minderwertig“ eingestuften Wohnbauten in der unmittelbar an das Forum angrenzenden Jakobsvorstadt einher. Anstelle der Altbauten entstand ausschließlich für Geschäftsleute und Handwerker ein neuer Straßenzug mit Ersatzwohnbauten nach dem Vorbild einer romantisch anmutenden Kleinstadt.

Mit dem Bau des „Gauforums“ war eine umfangreiche Flächenbereinigung der angrenzenden Stadträume verbunden. Die Abrisse im Bereich der Jakobsvorstadt standen unter dem Motto der „Altstadtgesundung“. „Altstadtgesundung“ wurde hier nicht im Sinne einer bautechnischen und hygienischen Stadtsanierung durchgeführt, sondern unter dem Aspekt der Milieubereinigung. Es ging unter anderem darum, sozial schwache und kinderreiche Familien aus den Bezirken der neuen nationalsozialistischen Stadt zu verdrängen; viele Familien wurden unter Verlust ihres angestammten Sozialmilieus in Ersatzneubauten am Rande der Stadt umgesiedelt.
Im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen am „Gauforum“ mussten 139 Hausgründstücke mit 462 Wohnungen für ca. 1 650 Menschen beräumt werden.
Einzig für Handwerkerfamilien und für Gewerbetreibende plante man vor Ort Ersatzwohnungen und Geschäftsräume. Dafür waren zwei neue Straßenzüge vorgesehen, die so genannte X-Straße (heute Freiligrathstraße) und die so genannte Y-Straße.
 Die Planung der Gebäude unterstand dem „Zweckverband der Bauten am Platz Adolf Hitlers“ und lag damit in den Händen des für das Gauforum zuständigen Architekten Hermann Giesler. Giesler beauftragte den an der Staatlichen Hochschule für Baukunst lehrenden Professor Willem Bäumer mit der Planung. Unter Bäumers Leitung entstand ein Straßenensemble, das den damaligen Vorstellungen einer kleinstädtischen
Wohn- und Handwerkergasse entsprach: Entlang eines gebogenen Straßenverlaufs 
mit Platz ordnete er dreigeschossige, traufständige Wohn- und Geschäftshäuser
in massiver Bauweise an. Sie sollten die Überleitung zwischen den Parteibauten und der Altstadt geben.

Öffentlicher „Diskurs“ zur „Altstadtgesundung“

Im Dezember 1936 gibt der „Zweckverband der Bauten am Platz Adolf Hitlers“ zum Abriss in der Freiligrathstraße folgendes öffentlich bekannt:
„ So entstehen an der Stelle der alten, ungesunden und unzeitgemäßen Wohnungen neue, nach modernsten Grundsätzen geplante Siedlungen. […] Aus diesem Grunde warne ich vor dunklen und unverschämten Gerüchte- und Geschäftemachern […] Gegen derartige Elemente wird rücksichtslos vorgegangen werden.“
(Vgl. Thüringer Gauzeitung, Weimar 23.12.1936)

Resumée des damaligen Gauleiters und Reichsstatthalters für Thüringen Fritz Sauckel:
„… soviel sich auch Weimarer den Kopf zerbrochen haben und es nicht verstehen wollten, daß dieses ‘Romantische Weimar’ dort am Museumsplan verschwindet, so kann ich denen nur sagen: Man müßte ihnen raten, daß sie in diesen schlechten Wohnungen, die dort niedergerissen werden, vier Wochen lang nur einmal zubringen müssten! Diese Wohnungen hier werden viel gesünder, und ich hoffe, daß sie immer glückliche deutsche Menschen beherbergen mögen!“
(Fritz Sauckel anläßlich des Richtfestes von Wohnersatzbauten in der Falkstraße und am Hänselweg. In: Thüringer Gauzeitung, Weimar 1.9.1937)

Dr. Christiane Wolf, Jonny Thimm: Scanning Weimar, Orte der NS-Zeit, DVD, Weimar 2006