Aktuelles

Ausstellungstipp: „Wohin bringt ihr uns?“

Hör- und Lektüretipp

Zum Anlaß der Eröffnung des Weimarer Museums Zwangsarbeit ist kürzlich der hörenswerte Podcast „Weimar: NS-Musterstadt“ veröffentlicht worden.

Darin ist unter anderem die Rede von Dr. Waldemar Freienstein, der von 1937 bis 1945 als Weimarer Amtsarzt tätig war. Mit ihm und seinem Wirkungsort, dem Gesundheitsamt der Stadt Weimar, beschäftigen wir uns schon einige Zeit und momentan wieder verstärkt im Rahmen des Projektes Beredtes Schweigen – NS-Eugenikverbrechen und ihre Folgen. Einen Einblick in Freiensteins Tätigkeiten liefern erste Kurzbiographien unter beredtes-schweigen.de.

Der Podcast ist hier und hier abrufbar.

Wer sich näher mit der Geschichte eines NS-Täters im Arztkittel beschäftigen möchte, dem sei die Lektüre des Buches Schweigepflicht – Dr. Waldemar Freienstein, ein Thüringer Arzt im Nationalsozialismus empfohlen, bestellbar beim Verlag.

Projekt: Beredtes Schweigen – NS-Eugenikverbrechen und ihre Folgen

Liebe Patinnen und Paten, liebe Unterstützerinnen, Freunde des Lernort Weimar e.V. und an der Geschichte der Stadt Interessierte,

Sie haben vom Lernort Weimar im letzten Jahr weniger gehört und gelesen. Das soll sich in diesem Jahr wieder ändern: Gemeinsam mit der Universität Jena und dem Stellwerk-Theater Weimar und dank der Förderung durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft wird sich der Lernort Weimar e.V. in den nächsten zwei Jahren erneut mit dem Komplex der NS-Eugenikverbrechen beschäftigen.

Wir recherchieren zu den Lebenswegen Betroffener, die in Weimar und Umgebung lebten und aufgrund von Krankheit, Behinderung oder sozialer Unangepasstheit zwangssterilisiert und/oder ermordet wurden. Auch die Denkmuster, die diese Verbrechen ermöglichten und die ihre Grundlagen im Sozialdarwinismus und in der Ökonomisierung des Menschen finden, verfolgen wir durch die Zeit bis in die Gegenwart. Die Anerkennung der Opfer von Zwangssterilisierung und NS-„Euthanasie“ als NS-Verfolgte wurde über Jahrzehnte verweigert, die Aufarbeitung dieser Verbrechen vernachlässigt, weswegen sie als „die vergessenen NS-Opfer“ gelten. Nur langsam und viel zu spät bewegt sich hier etwas.

Weimar und Jena werden in unserem Fokus stehen, da ihnen 1933 bis 1945 mit dem von Karl Astel geleiteten „Thüringischen Landesamt für Rassewesen“ (Marienstraße 13/15 in Weimar) und der pseudowissenschaftlich-ideologischen Vorbereitung der Eugenikverbrechen an der Universität Jena eine besondere Rolle zukam. Bisher erinnert – wie in so vielen Städten – im Weimarer öffentlichen Raum kaum etwas an diese Verbrechen: Wir laufen am damaligen Gesundheitsamt, am „Rasseamt“, am Krankenhaus, am „Ärztehaus“ vorbei und erfahren nicht, was hier geschah. Was wissen wir darüber, was mit den Menschen in den damaligen Erziehungsheimen, Heil- und Pflegeanstalten, Altersheimen, Krankenhäusern geschah? Die Stolpersteine für Elise Frank, Sonja Bromberg, Else Fretzdorff und Erika Haase sind kleine Hinweise darauf.

Wie gehen wir – auch als Gesellschaft – mit Menschen um, die nicht oder anders leistungsfähig sind? Wie sehr prägt uns die Idee einer Leistungsgesellschaft, in der einen „Wert“ hat, wer etwas „schafft“? Was bedeutet uns Krankheit, Gesundheit, „Normalsein“ und „Anderssein“ und nicht zuletzt gesellschaftliche Solidarität? Wie kann eine menschenfreundliche Gesellschaft aussehen?

Neben den historischen werden uns auch diese Fragen beschäftigen und Thema einer Webseite, einer Graphic Novel und eines Theaterstückes sein. Gemeinsam mit dem Stellwerk-Theater und der Universität Jena stellen wir außer den Lebenswegen Betroffener auch Täterorte vor – in Bildungsmaterialien, die Schulen frei zur Verfügung stehen werden, durch Theateraufführungen an einigen dieser Orte und durch Fassadenprojektionen. Ein Workshop richtet sich speziell an die Auszubildenden des Weimarer Klinikums. Ein Symposium an der Universität Jena schließt unser Veranstaltungsprogramm 2024 ab.

Wir stehen am Anfang dieser Arbeit und freuen uns sehr, wenn Sie uns begleiten, sich einbringen, unsere Angebote nutzen.
Kontaktieren Sie uns unter kontakt@lernort-weimar.de, wenn Ihre damals in Weimar und Umgebung wohnhafte Familie von den Eugenikmaßnahmen betroffen war und Sie mit uns mehr darüber herausfinden möchten.

Kommen Sie 2024 ins Theater – zum Zuschauen oder Mitspielen -, kommen Sie zum Symposium, in die Lesung der Graphic Novel, zu den Fassadenprojektionen …

Mehr erfahren Sie unter: www.beredtes-schweigen.de

Einladung zum Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome:
Klang der Stolpersteine in Weimar

Online-Ausstellung:

Zwischen Anwerbung und Auslöschung
– Spuren jüdischen Lebens in Weimar

Es ist soweit: Unsere Ausstellung „Zwischen Anwerbung und Auslöschung: Spuren jüdischen Lebens in Weimar“ ist online. Doch auch „offline“ – in der Stadt – sind Ausstellungsplakate zu sehen, die nicht nur auf die Ausstellung verweisen, sondern auch zu einzelnen Themen informieren.

Wir laden Sie und euch ein, doch einen Blick in die Ausstellung zu werfen, die dank der Weimarer Illustratorin Anke Zapf ein besonders ansprechendes „Gesicht“ erhalten hat.

Die Ausstellung soll exemplarisch Lebenswege von Juden oder (während der NS-Zeit) als Juden gesehenen Menschen im Stadtbild begreifbar machen, ausgewählte Orte vorstellen, die im Zusammenhang mit dem jüdischen Leben in Weimar stehen, und sie soll auf die geschichtlichen Hintergründe antijüdischer Stereotype hinweisen.
Anders als bei unserer bisherigen Arbeit haben wir uns nicht mit Ereignissen und Lebenswegen des 20. Jahrhunderts „begnügt“, sondern uns um einen umfassenderen geschichtlichen Einblick bemüht. So beginnen wir die Betrachtung des Themas im Mittelalter, als sich die ersten jüdischen Menschen in Weimar angesiedelt haben – auf Wunsch und Aufforderung der Machthaber. Der Anwerbung folgte aus politischen und religiösen Gründen allerdings bald die Ausweisung, und eine zweite Gemeinde entwickelte sich erst wieder ab 1770, nach der Ankunft der Familie Elkan in Weimar.
Wir folgen dem sozialen Aufstieg der Weimarer jüdischen Familien und zugleich den Kämpfen um Gleichberechtigung, wir stellen das liberal und religiös tolerant regierte Weimar Anfang des 20. Jahrunderts vor, in dem sich eine dritte jüdische Gemeinde gründete.
Zugleich verfolgen wir die Herausbildung und Verbreitung des modernen Antisemitismus, der in Weimar gut vernetzte Fürsprecher fand. Der völkischen und nationalsozialistischen Aggression – physisch wie verbal – stellten sich Angehörige der hiesigen jüdischen Gemeinde wie Emil Fischer entgegen.
Die Ausstellung skizziert die Stufen eines Prozesses der Annäherung und Entfremdung, des Miteinanders und der Ausgrenzung nach. Auch die Auslöschung der Weimarer jüdischen Gemeinde, die mit den Deportationen 1942 stattfindet, wird thematisiert.

Dabei zeigt sich, dass über die Jahrhunderte immer wieder ähnliche Mechanismen der Ausgrenzung – Sonderregelungen, Herabwürdigung, Entrechtung und Isolation – umgesetzt werden. Diese Ausgrenzungsmechanismen haben die Herausbildung antijüdischer Stereotype provoziert und sie geprägt.
Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten des Themas. Für die Beschäftigung mit jüdischer Kultur und Religion empfehlen wir – auch auf unserer Ausstellungsseite – einige spannende Projekte und Veranstaltungen des Themenjahres „Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen“.

Mit diesem Angebot schließen wir die Jahresarbeit des Vereins und danken herzlich für Ihr und euer Interesse, die interessanten Begegnungen bei den Stadtrundgängen und natürlich den aufmerksamen Blick auf die Weimarer Stolpersteine.
Ein großer Dank geht auch an die Förderer unseres diesjährigen Projekts: den Lokalen Aktionsplan Weimar, die Staatskanzlei Erfurt und weitere Unterstützer.