Fürstenhaus

Das Fürstenhaus, ehemaliger Wohnsitz der herzoglichen Familie, ist Sinnbild für die wechselhafte deutsche Geschichte. Es spiegelt als Landtags- und Regierungsgebäude den Auf- und Niedergang des Parlamentarismus der Weimarer Demokratie wieder und steht im Vorfeld der „Machtergreifung“ für das Aufkommen und die Etablierung nationalsozialistischer Herrschaftsstrukturen in Thüringen.

Nachdem 1816 der erste Thüringer Landtag in die einstige Residenz der Fürstenfamilie einzog, nutzte man den Bau ab 1920 zusätzlich als Regierungssitz.
In der von Beginn an auf unsicheren Beinen stehenden Weimarer Demokratie lösten sich zwischen 1920 und 1932 sodann fünf von sechs Thüringer Landesparlamenten vor Ablauf ihrer Wahlperiode auf; sechs verschiedene Ministerpräsidenten mit insgesamt 14 unterschiedlichen Kabinetten lenkten, größtenteils als tolerierte Minderheitsregierungen und mit dementsprechend eingeschränkter Handlungsfähigkeit und Reformschwäche, die Geschicke des Landes.
Inflation, Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Notstandsgebiete im Thüringer Wald trugen zu einem Popularitätsschub deutsch-völkischer Parteien bei. Mit thüringenweit 11,3 Prozent wurden 1929 die ersten Abgeordneten der NSDAP in einen deutschen Landtag gewählt. Anfang 1930 gelang der Partei dann erstmals der Sprung in eine Landesregierung, indem sie sich nach schwierigen Koalitionsverhandlungen, die Hitler persönlich führte, die beiden wichtigen Schlüsselressorts des Inneren und der Bildung sichern konnte.
Erdrutschartige Stimmengewinne im Sommer 1932 brachten der NSDAP zusätzlich den Vorsitz der Landesregierung ein. Dieser Landtag nahm jedoch keine wirkliche parlamentarische Tätigkeit mehr auf und löste sich im Mai 1933 selbst auf.
Der Umzug der Reichstatthalterei in das Fürstenhaus machte das ehemalige Parlamentsgebäude schließlich ab 1937 zum bedeutendsten NS-Dienstsitz einer Gauhauptstadt Weimar: Die Reichsstatthalterei, das Innenministerium sowie eine Vertretung der Wehrmacht und Polizei befanden sich nun unter einem Dach.

Parlamentsarbeit und politische Kultur
Getreu dem Motto „Mit unserem Mandat wollen wir nicht dem heutigen Staat dienen, den wollen wir vernichten“ (Sauckel im Dezember 1929) störte die NSDAP just seit ihrem Einzug in das Parlament die ordnungsgemäße Landtagsarbeit durch propagandistische Schaukämpfe und das Fernbleiben bei Beratungen und Beschlussfassungen. Auch auf der Straße nahm der politische Kampf an Gewalttätigkeit zu. Saalschlachten, Demonstrationen und Drohbriefe gehörten zur Tagesordnung.
In dieser Zeit sprach Hitler in Thüringen durchschnittlich einmal pro Monat auf Großveranstaltungen und erklärte das Land zum wichtigsten „Gau“ für den Erfolg seiner Partei.

Der „Freiwillige Arbeitsdienst“, die „Winternothilfe“ oder Propagandafahrten in die thüringischen Notstandsgebiete waren Aktionen, die neue Sympathien schaffen sollten. Unter Ausnutzung ihrer Mehrheitsverhältnisse im Thüringer Landtag suchte die NSDAP seit dem Sommer 1932 verstärkt durch Disziplinarmaßnahmen die Opposition zu schwächen sowie die parlamentarische Arbeit insgesamt durch Einschränkungen der Sitzungstätigkeit, willkürliche Änderungen festgelegter Tagesordnungen oder Abschmetterung oppositioneller Anträge zu unterlaufen.
Die nationalsozialistische Landesregierung schränkte schließlich die Gesetzgebung drastisch ein und machte von dem Sonderrecht der „Notgesetzgebung“ Gebrauch.

Aushebelung der Demokratie und Machtkonsolidierung
Als Wilhelm Frick im Januar 1930 die Ministerien für Inneres und Volksbildung übernahm, betrieb er sogleich eine kompromisslos von den Interessen der NSDAP bestimmte Landespolitik. Ein „Ermächtigungsgesetz“ vom 29. März 1930 bot Frick umfassenden Handlungsspielraum. Stück für Stück vollzog er auf Hitlers Weisung hin die „langsame Säuberung des Verwaltungs- und Beamtenapparates“ sowie die „Nationalisierung des Schulwesens“. Der „Bildersturm“ und ein „Erlass wider der Negerkultur“ sind Beispiele seiner repressiven Kulturpolitik. Dabei kamen ihm seine Kontakte zu Elisabeth Förster-Nietzsche zugute, die über exzellente Beziehungen zu zahlreichen Persönlichkeiten des kulturellen Lebens Thüringens verfügte.

Nach Konstituierung der ersten NS-Landesregierung in Thüringen im Sommer 1932 wurde der damalige Gauleiter Fritz Sauckel Landeschef und Leiter des Innenressorts. Sauckel knüpfte an Fricks eingeleitete Maßnahmen an und brachte ein „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ auf den Weg. Er erteilte Versammlungsverbote und führte den „Hitlergruß“ in Thüringen ein.
Nach der „Machtergreifung“ erfolgte im Rahmen der „Gleichschaltung“ eine nahezu vollständige Zerschlagung sämtlicher Parteien und zahlloser Organisationen sowie die kontrollierte Vereinnahmung bürgerlicher und unabhängiger Organe.
Das „Ermächtigungsgesetz“ vom 3. Mai 1933 setzte das demokratische Staatswesen schließlich auch formell außer Kraft; es erlaubte ohne zeitliche Begrenzung und Zustimmung des Landtages den Erlass von Gesetzen, auch wenn diese von der Landesverfassung abwichen.

Dr. Christiane Wolf, Jonny Thimm: Scanning Weimar, Orte der NS-Zeit, DVD, Weimar 2006