Schillerhaus

Trotz starker Beschädigungen im Verlauf des Zweiten Weltkrieges konnte das Schillerhaus nach der Bergung des historischen Mobiliars schon im November 1946 als erste der klassischen Stätten in Weimar wiedereröffnet werden.
 Der während des NS-Regimes erfolgte Möbelnachbau durch KZ-Häftlinge ist ein signifikantes Beispiel „normaler“ Beziehungsgeflechte zwischen Weimar-Buchenwald und Weimar-Stadt.

1942 beschloss der damalige Weimarer Oberbürgermeister Koch, die wichtigsten Kulturgüter der Stadt vor den drohenden Bombenangriffen des alliierten Luftkrieges in Sicherheit zu bringen; er ließ Kopien des Mobiliars von Goethes Arbeitszimmer und Schlafzimmer, Schillers Bett, Schreibtisch und Stuhl anfertigen. So brachte man die Originalmöbel im April 1942 zu deren Schutz im Keller der Werkstätten der Deutschen Ausrüstungswerke (DAW) unter. Das Paradoxe daran: Die Möbel eines Schriftstellers, der gegen die Unterdrückung kämpfte, wurden ausgerechnet dort zu ihrem Schutz gelagert, wo die Gewalt am Größten war.
Die Fertigstellung der Kopien und der zum Transport notwendigen Holzkisten erfolgte zwischen Juni und Oktober 1943 durch KZ-Häftlinge aus Buchenwald. Kurz darauf führte man die Reproduktionen in das Weimarer Schillerhaus zurück. Die Originalmöbel 
und Bücher Schillers wurden dagegen bis zum Ende des Krieges im Keller des Nietzsche-Archivs sichergestellt, ab April 1946 dann auf dem Dachboden des Rathauses, und waren schließlich ab 1953 wieder im Schillerhaus zu besichtigen.

Schiller als „Vorkämpfer“ für NS-Ideologien?
Im Dritten Reich sorgte vor allem der promovierte Germanist und Schiller-Bewunderer Goebbels dafür, dass Friedrich Schiller anfänglich als Wegbereiter des Nationalsozialismus instrumentalisiert wurde. Einzelne Zitate Schillers, sogenannte „Kernsprüche“,
 wurden ausgiebig genutzt, um NS-Politik einen auf klassischen Traditionen fußenden Anstrich zu verleihen. Der am häufigsten verwendete „Kernspruch“ stammt aus dem „Tell“. Es sind die Worte des alten Attinghausen an seinen zweifelnden Neffen: „Ans Vaterland ans teure schließ dich an / Das halte fest mit deinem ganzen Herzen“.

„Kabale & Liebe“ kam reichsweit über 2000 Mal zur Aufführung. Einer der plakativsten Schiller-Bewunderer war der Reichstagsabgeordnete und Geschäftsführer der NSDAP-Fraktion Hans Fabricius, der Schiller 1932 als „Kampfgenosse Hitlers“ darstellte. Als jedoch die Dialogzeile „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!“ aus „Don Carlos“ bei Theateraufführungen immer wieder Szenenapplaus erhielt, wurde das Stück kurzerhand verboten. Ähnlich erging es schließlich auch dem „Wilhelm Tell“, der neben der Loslösung eines deutschen Gebietes vom Deutschen Reich auch das Thema des Tyrannenmordes behandelt. Hitler persönlich ließ Mitte 1941 anordnen, keine Tell-Aufführungen mehr zu genehmigen, und zwar aus Furcht vor „Heckenschützen wie Tell“. Das Stück wurde auch aus dem Schulunterricht genommen, keine Bibliothek durfte das Werk fortan ausleihen, keine Textstelle durfte mehr in den neuen Lesebüchern abgedruckt werden; eines der bekanntesten und meistgespielten Stücke der Deutschen Klassik wurde so aus der Öffentlichkeit verbannt.

Unter der Überschrift „Der Führer ehrt Friedrich von Schiller“ berichtet der Völkische Beobachter
 vom 13. November 1934:

„Den Mittelpunkt dieser Schillerwoche aber bildete am Sonnabend der große feierliche Staatsakt der Reichsregierung und der Thüringischen Staatsregierung im Deutschen Nationaltheater,
 mit dem Adolf Hitler Friedrich von Schiller ehrte, in dem der deutsche Genius des 20. Jahrhunderts sich beugt vor dem Genius des 18. Jahrhunderts.
Erst dem Nationalsozialismus blieb es vorbehalten, den wahren Friedrich von Schiller dem deutschen Volk wiederzugeben und ihn als das zu zeigen, was er wirklich ist: der Vorläufer des Nationalsozialismus, ein deutscher Dichter und Idealist, der jene Worte poetisch formte,
die heute den Wesenskern des Nationalsozialismus ausmachen: ‘Immer strebe zum Ganzen und kannst du selber kein Ganzes werden, als dienendes Glied schließ an ein Ganzes dich an!’“

Dr. Christiane Wolf, Jonny Thimm: Scanning Weimar – Orte der NS-Zeit, DVD, Weimar 2006