Goethe-Nationalmuseum

Seit 1885 gab es Bestrebungen, einen ergänzenden Museumsbau zum Goethe-Wohnhaus zu errichten; ein erster Anbau 1913 konnte die komplette Aufnahme der Werke Goethes und deren Dokumentation nicht gewährleisten. So entstand 1935 unter maßgeblichem Einfluss nationalsozialistischer Kräfte ein zweiter Anbau und damit ein weiterer Baustein für die nationalsozialistische Vereinahmung des klassischen Weimars.

Hans Wahl, der seit 1918 die Museumsdirektion innehatte, war einer der wichtigsten Akteure im fast zwanzigjährigen Tauziehen um den Erweiterungsanbau des Goethe-Nationalmuseums. Vor allem die Goethe-Gesellschaft sowie ab 1932 auch der „Reichsarbeitsausschuss“, der Organisator der im gleichen Jahr anstehenden Goethefeier, war an dem Anbau interessiert.

Wie schon beim Bau der Weimarhalle wurde versucht, die dringliche Ausführung aufgrund der bevorstehenden Feierlichkeiten (Goethes hundertster Todestag) zu rechtfertigen und voranzutreiben.
Größtes Hindernis – neben zahlreichen Diskussionen bezüglich einer entsprechenden Gestaltung – war die Finanzierung des Projektes, die schließlich auch für das Scheitern zum eigentlich angedachten Termin verantwortlich war. Die Streitigkeiten bezüglich des umzusetzenden Entwurfes bezogen sich vordergründig auf die Herkunft des Architekten, der nach Meinung des damaligen nationalsozialistischen Volksbildungsministers Frick aus Thüringen kommen müsse.
Der Entwurf des Berliner Architekten Heinrich Tessenow, der die überzeugendste Lösung hervorbrachte – eine gemäßigt moderne, klare Architektur –, fand nach anfänglicher Begeisterung keine Berücksichtigung mehr. Nur die Vorschläge der systemkonformen Architekten Walter Voigt und Paul Schultze-Naumburg kamen für die Realisierung in Frage.

Die Realisierung
Als Adolf Hitler im November 1934 anlässlich der Schillerfeierlichkeiten gerade in Weimar weilte, war letztendlich er derjenige, der sich bereit erklärte, mehr als die Hälfte der erforderlichen Bausumme bereitzustellen.
Etwas überraschend war dies schon, da sein Interesse zuvor auch nicht durch kontinuierliche, von Hans Wahl initiierte Anbiederungsversuche, geweckt worden war.
Hans Wahl hatte den Bau zur „Angelegenheit des deutschen Volkes“ mit dem Doppelziel der „Arbeitsbeschaffung und Kulturpropaganda im reinsten Sinne“ gemacht und sich so eine schnelle Bewilligung der Gelder aus Berlin erhofft. Obwohl diese ausgeblieben waren, kamen internationale Geldgeber trotz der schwierigen Situation in dieser „nationalen“ Angelegenheit für die Museumsleitung erst gar nicht in Frage.
So wurde bei der Grundsteinlegung im Oktober 1934 vorab dem nationalsozialistischen Regime gedankt, obwohl die Finanzierung zu diesem Zeitpunkt noch völlig ungeklärt war. Zur Eröffnungsfeier im August 1935 dankte man mit einer Gedenktafel dem neuen Reichskanzler: „Erweiterungsbau geschaffen durch die hochherzige Unterstützung des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitlers im dritten Jahr seiner Regierung, eingeweiht zu Goethes Geburtstag 1935“.

Dr. Christiane Wolf, Jonny Thimm: Scanning Weimar, Orte der NS-Zeit, DVD, Weimar 2006