Der Ausschluß der Erika Haase aus der „Volksgemeinschaft“

Zur Ideologie von „Volksgemeinschaft“ und „Rassenhygiene“:
„Rassenhygiene“ – die Durchsetzung der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“

Direkt zur Biographie des Weimarer Kindes Erika Haase:
Das kurze Leben eines Pflegekindes

Das Gebäude des Thüringer „Landesamts für Rassewesen“ in der Weimarer Marienstraße. Zweck des Amtes war, die Bevölkerung Thüringens zu erfassen und nach „rassehygienischen“ Kriterien zu selektieren.

„Rassenhygiene“
– die Durchsetzung der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“

„Alle Gemeingefährlichen, Kriminellen und charakterlich schwer abwegigen Naturen […], Landstreicher, Tagediebe, Arbeitsscheue, Säufer, Verlumpte, Verwahrloste, Liederliche, sexuell Haltlose, chronische Schuldenmacher usw. Nichtsnutze aller Art, Sonderlinge, auffällige Sektierer und Querulanten […]
Alle Geisteskranken, Fallsüchtigen und Rauschsüchtigen, vor allem Trinker, alle Blinden und Fastblinden […], Taubstummen, Tauben, Bettnässer; ferner alle mit wahrnehmbaren angeborenen körperlichen Mängeln oder Mißbildungen, wie […] Klumpfuß, Hasenscharte, Gaumenspalte […], angeborenem Fehlen eines Körperteiles […], alle Hilfsschüler und ehemaligen Hilfsschüler, ferner alle geistig und volksgemeinschaftlich […] nicht Vollwertigen, z. B. Fürsorgezöglinge und diejenigen, die im Volksschulunterricht nicht ausreichend mitkamen, die […] mehrmals Sitzengebliebenen […], Berufsunfähigen, Analphabeten usw.“

1937 sendet Karl Astel, der Leiter des Thüringer Landesamts für Rassewesen, eine ganze, eng maschinenbeschriebene Seite mit dieser Auflistung an alle Thüringer Landräte und Bürgermeister mit der Aufforderung, solche Personen den Gesundheitsämtern zu melden. Sie sollen, heißt es in seinem Schreiben, „erfass[t] und rassehygienisch betreu[t]“ werden.1

Ihnen allen ist gemein: Sie fallen aus der „Volksgemeinschaft“.

„Seit der Machtübernahme ist die öffentliche Wohlfahrtspflege rassehygienisch ausgerichtet.“ Schreiben bezüglich abzugebender Meldungen, Seite 1 (StadtAW 12/6-61-14 (3))
Die Erfassung der „erblich Untüchtigen“ – Schreiben bezüglich abzugebender Meldungen, Seite 2 (StadtAW 12/6-61-14 (4))
„Alle diese Personen sind dem … Gesundheitsamt monatlich zu melden.“ – Schreiben bezüglich abzugebender Meldungen, Seite 3 (StadtAW 12/6-61-14 (5))

Die Fiktion einer Gemeinschaft „deutschen Blutes“

„Volksgemeinschaft“ – ein Begriff, der Zusammengehörigkeit und Solidarität aufklingen lässt, doch hinter dem eine Ideologie mit gefährlichen Folgen für jene steht, die nicht dazuzählen. Die Förderung des Gemeinschaftsgefühls unter den „Volksgenossen“ war ein entscheidender Faktor für die Befürwortung der nationalsozialistischen Politik. Dies gelang zum einen durch propagandistische Methoden wie der bald alltägliche Hitlergruß und Losungen wie „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ und „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, aber auch durch Großveranstaltungen und Feste mit erhebenden Fackelmärschen. Die medial in Szene gesetzten „Eintopfsonntage“ und Spendensammlungen, deren Erlöse dem Winterhilfswerk galten, sollten einen Eindruck von Zusammenhalt und Selbstermächtigung – gemäß der Parole „Ein Volk hilft sich selbst“ – vermitteln.

Das Gefühl des Einzelnen, an etwas „Größerem“ teilzuhaben, wurde gefördert durch die Organisation der Bevölkerung in unzähligen Verbänden und Parteigliederungen wie HJ und BdM, SA, SS, Deutsche Arbeitsfront und Deutsches Frauenwerk sowie in der NSDAP, die vom Gau- über den Kreis- bis hin zum Ortsgruppenleiter in jedes Dorf wirkte und jenen eine Teilhabe an der Macht bot, die im Sinne der Partei agierten.2
Dies suggerierte eine gesellschaftliche Chancengleichheit, die freilich nie wirklich angestrebt oder gar erreicht war.3

Brief von Karl Astel an Stadtvorstand Weimar bzgl. des Volkslehrstücks „Erbstrom“ (StadtAW 16/102-03-5/1 (2))

Die Vorstellung einer Gemeinschaft „deutschen Blutes“ war eng verklammert mit der Auffassung, die Deutschen würden einen „Volkskörper“ bilden, dessen „Reinheit“ durch „Rassenhygiene“ hergestellt und gesichert werden müsse. Die Anleihen bei der medizinisch-biologischen Sprachwelt verlieh dieser kruden Theorie einen Anstrich von Wissenschaftlichkeit und – vermittelt durch die Erfolge der letzten Jahrzehnte in der Medizin – Fortschrittlichkeit. Für die Rechtfertigung der nationalsozialistischen „Rassenhygiene-Maßnahmen“ bis hin zur Ermordung von „unwertem Leben“ wurde die Autorität der Wissenschaft und der Medizin mißbraucht – wobei sich nicht wenige Mediziner vor den Karren der „Rassenhygiene“ spannen ließen. Sollten „deutschblütige“ Volksgenossen – im Ideal waren dies tüchtige, gesunde, autoritätsgläubige Männer und sittliche, sich unterordnende und aufopferungswillige Frauen4 – das Ihre leisten für den Aufbau einer vermeintlich gesunden, homogenen Gemeinschaft – z. B. durch die Wahl „rassisch hochwertiger“ Partner und Kinderreichtum –, so wurden der jüdische Teil der Bevölkerung, Sinti und Roma, Menschen mit seelischen, physischen und psychischen Beeinträchtigungen, aber auch Straftäter, Prostitutierte, „geistig“ oder „sozial verwahrloste“ Jugendliche, Gelegenheitsdiebe und andere sozial Unangepaßte als „Artfremde“ und „erbbiologisch Minderwertige“ um so unerbittlicher von der Gemeinschaft „deutschen Blutes“ ausgeschlossen. Exklusion gehört wesentlich zur Idee der „Volksgemeinschaft“ und zeigte sich in verwehrten Mitgliedschaften in Organisationen, Berufs- und Schulverboten, Eheverboten mit „arischen“ Partnerinnen oder Partnern bis hin zu Zwangssterilisationen, Zwangsarbeit und Ermordungen.
Die Definitionshoheit über Begriffe wie „artfremd“ und „erbbiologisch minderwertig“ haben Rassentheoretiker wie der in Weimar tätige Karl Astel für sich reklamiert.

Der Erfolg einer Pseudowissenschaft

Dank der Ideologie der „Volksgemeinschaft“ machte Karl Astel, ein Münchner Sportarzt und fanatischer Nationalsozialist, in Thüringen Karriere.5

Karl Astel (LATh-HStA Weimar, Personalakte aus dem Bereich Volksbildung Nr. 622, Bl. 1r (Ausschnitt))

Mit seinen Spekulationen über „Rassenhygiene“ und durch seine alte Kameradschaft mit dem Thüringer Gauleiter Sauckel brachte er es u. a. bis zum Präsidenten des 1933 eingerichten Thüringischen „Landesamts für Rassewesen“, das in der Weimarer Marienstraße seinen Standort hatte. Zudem wurde er zum ordentlichen Professor und Leiter des 1934 an der Universität Jena gegründeten „Instituts für menschliche Züchtungslehre und Vererbungsforschung“6 ernannt – ohne die hierfür nötige Voraussetzung einer Habilitation zu erfüllen – und schließlich noch zum Rektor der Jenaer Universität während der Kriegsjahre.
Seine Thesen folgten der Tradition von Eugenikern7 wie Alfred Plötz – der Anfang des 20. Jahrhunderts den Begriff der Rassenhygiene prägte und die Tötung von „Schwachen und Untüchtigen“ frei von ethischen Überlegungen forderte8 –, Karl Binding und Alfred Hoche, die 1920 in der folgenreichen Publikation „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ von „Ballastexistenzen“ und „Defektmenschen“9 sprechen und deren Tötung fordern. Bindings und Hoches Reputation als angesehene Universitätsprofessoren machte trotz deren menschenverachtenden Sprache eugenische Forderungen in der Weimarer Republik salonfähig.10

Jahrzehntealte sozialdarwinistische Bestrebungen von Eugenikern wurden umgesetzt, als Anfang 1934 das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft trat, welches Zwangssterilisationen für Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen und Patienten psychiatrischer Heil- und Pflegeanstalten anordnete. Die Gruppe der Betroffenen war allerdings weit größer, als man sich heute wohl vorstellt: Als „erblich“ galt auch schwerer Alkoholismus, ebenso wurde kriminelles Verhalten mit „minderwertigen“ Erbanlagen in Verbindung gebracht – eine Theorie, die durchaus breite gesellschaftliche Akzeptanz erfuhr.11 Soziale, politische und wirtschaftliche Lebensbedingungen wurden ignoriert – der Mensch war, wie er war, seiner Erbanlagen wegen.12

Nationalsozialistische „Rassenhygiene“

Die Menschenverachtung, die aus den Worten von Binding und Hoche spricht, wurde 13 Jahre nach ihrer Publikation politisches Programm unter den Nazis. Den Betroffenen gegenüber wurde die Maßnahme der Zwangssterilisation dennoch positiv gezeichnet, um sie zur Mitwirkung oder zumindest zur Akzeptanz zu bewegen: Das Thüringische Justizministerium weist am 18. August 1934 in einem Schreiben darauf hin, dass „jeder Anschein […] zu vermeiden [ist], als sei die Unfruchtbarmachung eine Strafmaßnahme. […] [Sie ist] als eine Tat der Nächstenliebe und Vorsorge für kommende Geschlechter anzusehen.“13

Für die Umsetzung des Gesetzes wurde das öffentliche Wohlfahrts- und Gesundheitswesen sehr rasch nach Machtantritt der Nazis „rassehygienisch“ ausgerichtet, den meisten Gesundheitsämtern auf Kreisebene wurden „Beratungsstellen für Erb- und Rassenpflege“ angeschlossen, die sich um die „erbbiologische Bestandsaufnahme“ des deutschen Volkes kümmerten.14

Formblatt einer Meldung – StadtAW 12_6-61-14 (8)

Mitarbeiter von Behörden wie dem Jugendamt wie auch Angestellte der Fürsorgeheime und der Heilanstalten waren angehalten, verdächtige Fälle zu melden. Anzeigepflichtig waren auch Hausärzte, Amtsärzte, Hebammen, Zahnärzte, Heilpraktiker und Gemeindeschwestern.15
Generell galt die Geheimhaltungspflicht, die aber offenbar nicht immer eingehalten wurde. So bittet der Gaufachschaftsleiter für Sonderschulen im NS-Lehrerbund Albin Rebhan 1935 beim Landesamt für Rassewesen um verstärkte Verschwiegenheitsbemühungen, da die Namen einiger denunzierender Hilfsschullehrer den Opfern von Zwangssterilisationen bekanntgegeben wurden.16

Albin Rebhans Schreiben an das Landesamt für Rassewesen (LATh-HStA Weimar, Thueringisches Justizministerium Nr. 648, Bl. 177r)

Unfruchtbarmachungen waren ein gesellschaftliches Tabu und sollten es – bei allem Werben für den „gesunden Volkskörper“ – auch bleiben. 1940 weist der Weimarer Amtsarzt Waldemar Freienstein in einem Schreiben an das Städtische Wohlfahrts- und Jugendamt darauf hin, dass „es verboten und strafbar ist, in öffentliche Akten zu schreiben, dass jemand sterilisiert worden ist“. Informationen über Sterilisationen seien als „Dienstgeheimnis“ zu behandeln, sonst drohen Gefängnis oder Geldstrafe.17

Einer „minderwertigen“ Erbanlage Verdächtige mussten sich beim Gesundheitsamt bzw. Amtsarzt vorstellen und sich untersuchen lassen – z. B. einen Intelligenztest leisten. Sie konnten auch einige Tage zur Beobachtung in Kliniken, z. B. in die Landesheilanstalt Stadtroda, eingewiesen werden. Diese Beobachtungsmaßnahme nutzten manche – wie der Geraer Kreisarzt – auch aus strategischen Gründen. So berichtet er 1935: „Um das [Erbgesundheits-]Gericht [Gera] etwas mehr geneigt zu machen“, bei Alkoholikern die Sterilisation anzuordnen, „stelle ich jetzt meist Antrag auf kürzere Beobachtung in Stadtroda. Das Gutachten von dort dürfte dann wohl besser ziehen“.18

Über die Sterilisationen entschieden Erbgesundheits(ober)gerichte, die von jeweils zwei Ärzten und einem Richter besetzt und am jeweiligen Amtsgericht angesiedelt wurden. Die Betroffenen wurden in der Anhörung lediglich informiert und hatten kein Recht zur Akteneinsicht.19
In Thüringen wurden 18 Erbgesundheitsgerichte bzw. -obergerichte geschaffen, die allein bis November 1934 1814 Sterilisationen veranlassten – bzw. nachträglich legitimierten, denn in 957 Fällen waren die Sterilisationen schon durchgeführt worden.20
In Weimar, Apolda und dem Landkreis Weimar – mit insgesamt fast 200 000 Einwohnern – wurden allein von Januar bis September 1934 insgesamt 851 Anzeigen erstattet, die der Kreisarzt zunächst zu prüfen und dann an das Erbgesundheitsgericht weiterzuleiten hatte.21 In einem Bericht des Weimarer Kreisarztes vom 5. Oktober 1934 heißt es, er sei trotz Freistellung von anderen Aufgaben so überlastet gewesen, dass das Gesetz „bei weitem nicht in dem erforderlichen und erwünschtem [sic] Umfange durchgeführt werden konnte“.22 Bis 1945 wurden thüringenweit ca. 16 000 Sterilisationen durchgeführt, reichsweit etwa 400 000.23

War die Unfruchtbarmachung einer in Weimar lebenden Person beschlossen, so wurde sie von den Ärzten des Städtischen Krankenhauses am Kirschberg operiert. Bis 1943 betraf das mehr als 70024 Einwohner der Stadt – Männer, Frauen, Jugendliche, ja ganze Familien – und Hunderte Häftlinge des KZ Buchenwald.
Boris Böhm, Leiter der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, zeigt das Ausmaß der Sterilisationsmaßnahmem auf: „Im Grunde war in irgendeiner Form jede Familie im Deutschen Reich von so einer Maßnahme betroffen.“25
Noch 1944 hielt man in Weimar an der „Reinigung“ des deutschen „Volkskörpers“ fest, in diesem Jahr wurde im Krankenhaus die letzte im Gesundheitsamt aktenkundlich vermerkte Zwangssterilisation durchgeführt.26

Hunger und Zwangsarbeit als staatliche „Fürsorge“

In den Fokus der Behörden fallen neben Menschen mit seelischen, psychischen oder physischen Beeinträchtigungen auch Menschen, die aus anderen Gründen nicht dem Ideal der Volksgemeinschaft entsprachen. Bemerkenswert ist auch, dass unter ihnen besonders diejenigen von „rassehygienischen Maßnahmen“ betroffen waren, die keine finanziellen Sicherheiten und einflussreichen Kontakte hatten: Die armen Gesellschaftsschichten und sozialen Randgruppen wurden kritisch beobachtet und verdächtigt, „gemeinschaftsfremd“ und „asozial“ zu sein.27 Sie standen oft auch entsprechend hilf- und machtlos dem übergriffigen Staatsapparat gegenüber.
Gefährdet waren auch Jugendliche, die in Weimar z. B. wegen „Faulenzerei“, „Unordnung“, „Abenteuerlustig[seins]“, „Herumtreibens“, „Diebstählen“, „Vergehen nach §175 St.G.B.“ (homosexuelle Handlungen unter Männern), „geschlechtlicher Verwahrlosung“ oder „geistiger Verwahrlosung“ – in Verbindung mit „Bücherdiebstahl“ [!] – in staatliche Fürsorgeerziehung genommen wurden.28
Einige von ihnen wurden in eines der Thüringer Fürsorgeheime für Minderjährige eingewiesen.29 Das minimierte ihre Chancen, sich erfolgreich gegen Übergriffe des Staates zur Wehr setzen zu können. In den während der Kriegszeit überbelegten Fürsorgeheimen waren „Arbeitserziehung“ und Strafmaßnahmen wie körperliche Züchtigung üblich, auch zu Maßnahmen wie verschärftem Arrest und Essensentzug wurde in einigen Heimen gegriffen.30
Fügten sich die Fürsorgezöglinge dauerhaft nicht, so wurde dies als erbbiologisch bedingte Unerziehbarkeit gedeutet, es drohte die Sterilisierung oder sogar die Einweisung in Arbeitslager. Im November 1942 weist Karl Astel vom Landesamt für Rassewesen die Kreis- und Gemeindeverwaltungen Thüringens auf die neuen „Möglichkeiten“ hin, die diese Lager eröffnen: „Es besteht jetzt die Möglichkeit, Verwahrfälle dem Arbeitshaus zu Breitenau oder dem Jugendschutzlager (für männliche Jugendliche) in Moringen und (für weibliche Jugendliche) in Uckermark zu überweisen.“31 Das betraf vor allem Jugendliche, die länger als drei Jahre im Heim lebten und bei denen der „Erfolg“ der Heimerziehung nicht abzusehen war.

Sofortmaßnahmen gegen die Überfüllung der Heime … (StadtAW 12/5-55-48 (3))
… bestehen darin, Fürsorgezöglinge in Arbeitslager zu schicken. (StadtAW 12/5-55-48 (4))

Die überfüllten Heime nutzten dieses Mittel zur Entlastung und schickten einige ihrer Jugendlichen in die Lager. Dort mussten sie zehn bis zwölf Stunden am Tag arbeiten – bei unzureichender Ernährung und katastrophaler medizinischer Versorgung. Etwa jeder zehnte Jugendliche starb im Lager Moringen.32
Im Laufe des Krieges verschärfte sich die staatliche Gewalt gegen auffällige Jugendliche. Auch geringe Vergehen wie kleine Diebstähle wurden juristisch verfolgt und mit Haft bestraft, was die Staatskasse belastete. Um die Ausgaben zu senken, beinhalteten die Strafen immer häufiger „Arbeitserziehung“ im Rahmen einer vorläufigen Verhängung der Fürsorgeerziehung. 1943 heißt es im Geschäftsbericht des Weimarer Wohlfahrtsamtes:

„Die Jugendgerichtsfälle haben abgenommen, da die Jugendlichen jetzt kriegsbedingt beschäftigt werden, z. B. als Luftwaffenhelfer. Ausserdem erfolgt die Ahndung vertragsbrüchigen Verhaltens Jugendlicher anstatt mit Jugendarrest und Gefängnis jetzt auch mit ‘Arbeitserziehung’ für 1–3 Monate Dauer in ‘Arbeitserziehungslagern für Jugendliche aus dem Landes Thüringen’. Da diese ‘Arbeitserziehung’ im Wege der vorläufigen Fürsorgeerziehung durchgeführt wird, hat auch die Fürsorgeerziehung eine Umgestaltung insofern erfahren, als sie für diesen bestimmten Zweck auch kurzfristig durchgeführt wird, ein Verfahren, das sich durchaus bewährt hat.“33

Weimarer Opfer der „Rassenhygiene“

Die Akten im Weimarer Stadtarchiv geben einen Einblick in das Leben jener, die Opfer dieser „rassehygienischen Maßnahmen“ wurden. Stellvertretend für viele seien hier vier Menschen34 vorgestellt:

„Norbert“ wurde 1921 geboren. Sein Vater arbeitet bei der Bahn und später, unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit, als Transportarbeiter bei der Firma Staupendahl. Seine Mutter stirbt 1929, als Norbert acht Jahre als ist. Sein Vater und er müssen oft innerhalb Weimars umziehen – von einer beengten Arbeiterwohnung am Stadtrand in die nächste. Der Jugendliche fällt wegen Diebstählen und „ungünstigen häuslichen Verhältnissen“ auf, es wird staatliche Fürsorge angeordnet. Als er 14 Jahre ist, ordnet das Erbgesundheitsgericht Weimar an, ihn zu sterilisieren. Mehrfach kommt er der Aufforderung, sich im Städtischen Krankenhaus am Kirschberg einzufinden, nicht nach. Auch sein Vater hält das Versprechen gegenüber dem Amtsarzt, seinen Sohn dort abzuliefern, nicht ein. Am Morgen des 22. Oktober 1935 holt die Polizei Norbert zu Hause ab, noch am selben Tag erfolgt die Operation. Dasselbe Schicksal ereilt vier Jahre später seinen Vater: Auch er wird zwangsweise sterilisiert.
Kinder darf Norbert nicht in die Welt setzen, doch für die Volksgemeinschaft kämpfen soll er: Am 9. Januar 1945, kurz vor seinem 24. Geburtstag, stirbt er an der Westfront. Auf der Rückseite der Todesmeldung ist handschriftlich notiert: „Bauchschuß“, außerdem der Name und die Adresse seiner jungen Braut.35

„Friederike“, 1920 geboren und mit ihrem Vater im Weimarer „Blechbüchsenviertel“36 wohnend, „treibt sich“ nach einer auskurierten Geschlechtskrankheit „dauernd mit Männern umher“, verlässt „die ihr vom Arbeitsamt zugewiesenen Arbeitsstellen […] nach kurzer Zeit wieder“ und wird daher als „asoziale und arbeitsscheue Person“ bezeichnet. Auch sie wird unfruchtbar gemacht, und 1940 beantragt das Wohlfahrtsamt eine Polizeiverfügung, sie zwangsweise in die „Landesarbeitsanstalt Breitenau bei Kassel“ – ein Arbeitshaus für „Volksschädlinge“ mit 11-Stunden-Schichten und katastrophalen Haftbedingungen37 – einzuweisen. Ihr Vater willigt hierzu ein. Bevor es dazu kommen kann, wird die junge Frau verhaftet und ins ostthüringische Gefängnis Hohenleuben eingeliefert.38

„Konrad“, am 18. November 1908 in Oberweimar geboren, macht nach der Volksschule zweieinhalb Jahre eine Lehre als Steinhauer. Er bricht sie aus gesundheitlichen Gründen ab und hält sich danach mit Tätigkeiten in der Landwirtschaft über Wasser. 1932 leistet er einen „Freiwilligen Arbeitsdienst“ (FAD) in der Mitteldeutschen Heimatschule39 in Nohra, die kurz darauf zu Deutschlands erstem Konzentrationslager umfunktioniert wurde. Die Schule dient den Thüringer Nationalsozialisten schon vor der Machtübertragung als Zentrum des FAD und verfolgt inhaltlich ein Programm der völkischen Umerziehung und Wehrertüchtigung.40
Während der dreißiger Jahre verdingt er sich als Gelegenheitsarbeiter, u. a. in der Straßenreinigung für die Stadt Weimar, immer wieder unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit. Einer fünfmonatigen Haft im Weimarer Gefängnis, unterbrochen von einem rund zweimonatigen Aufenthalt in der Jenaer Klinik „zur Beobachtung“, folgte am 4. August 1937 eine „Sicherungsverwahrung“41 in der Heilanstalt Blankenhain. Im Sommer 1940 schließlich wird er im Weimarer Städtischen Krankenhaus sterilisiert. Zu dem Zeitpunkt befindet sich seine Frau schon seit zehn Monaten im KZ Ravensbrück. Konrad bleibt bis Mai 1941 in Blankenhain, danach verliert sich seine Spur in den Weimarer Archivakten.42

„Anna“, 1927 in Jena geboren, wächst im Norden Weimars auf, ebenfalls im „Blechbüchsenviertel“. Auch ihre Familie muss oft innerhalb Weimars die Wohnung wechseln, die Arbeit ihres Vater ändert sich häufig, bleibt aber stets prekär. Meist ist er als „Parkarbeiter“ gemeldet, 1937 wird er im Adressbuch als „Reichsarbeiter“ geführt, 1941 als Gärtner. Er überlebt seinen Kriegsdienst an der Front und arbeitet 1949 im Tiefurter Park. Seine Tochter Anna kommt aus uns unbekannten Gründen in staatliche Fürsorge und wird im Mai 1942, mit 15 Jahren, in ein Leipziger Mädchenheim eingewiesen.
In Leipzig beginnt ihre Odyssee von Heim zu Heim, von Lager zu Lager. Im Sommer 1942 ist sie in der Landesheilanstalt Stadtroda, im September wird sie in das Mädchenheim von Köstritz überstellt. Wie lange sie dort bleibt, wissen wir nicht.
Im April 1944, mit 17 Jahren, wird Anna durch die Kripo Weimar ins Vernichtungslager Auschwitz eingewiesen. Als Grund ist genannt: „Arbeitsscheue Zigeunerin“. Auch ist vermerkt, dass sie keine Vorstrafen hat, weder als „kriminell“ noch als politisch gilt. Das Mädchen kann als eine von wenigen das „Zigeunerlager“ von Auschwitz, das von 1943 bis August 1944 bestand, verlassen und leistet ab Mai 1944 im Frauen-KZ Ravensbrück bzw. ab Juli 1944 in dessen Außenlager Schlieben Zwangsarbeit. Im August 1944 kommt sie nach Altenburg, in ein Außenlager des KZ Buchenwald. Auf ihren Häftlingsunterlagen sind außer einem Brief keinerlei Besitztümer vermerkt – Anna hat nur, was sie am Körper trägt. Sie wird vom KZ gegen einen pauschalen Lohn, von dem freilich nur die Lagerleitung profitiert, in Rüstungsfabriken der HASAG, der Hugo-Schneider-A.G., eingesetzt. In Schlieben fertigt sie Munition, in Altenburg stellt sie auf dem größten HASAG-Werk des Deutschen Reichs mit über 3000 weiteren Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aus ganz Europa Patronenhülsen, Panzerfäuste oder Granaten her. Der Einsatz der Zwangsarbeiter bei der HASAG folgt dem Prinzip „Vernichtung durch Arbeit“.43
Ob sie noch vor April 1945 durch Hunger und Arbeit starb oder einen der Todesmärsche antreten musste, in die 1945 kurz vor Kriegsende auch die KZ-Häftlinge, die in Außenlagern für die HASAG arbeiteten, getrieben wurden, ist nicht bekannt.44

Massenmord als „Rassenhygiene“: die nationalsozialistische „Euthanasie“

Einer Meldung als „auffällige“ Person im Sinne von Karl Astels Liste konnte nicht nur die Zwangssterilisation, das Erziehungsheim für Jugendliche oder das Arbeitslager folgen, sondern auch die Einweisung in eine Heil- und Pflegeanstalt. Deren Patienten wurden ab 1939 systematisch selektiert: Wer dem Reich keinen wirtschaftlichen Nutzen brachte, wurde ermordet. Diese radikalste Maßnahme der „Rassenhygiene“ nannten die Nazis „Euthanasie“.
Ihr Euthanasieprogramm spottete seinem Namen von einem „schönen Tod“ und folgte darin der Tradition der manipulierenden Sprache der Eugenik.
Laut Schätzungen sind mindestens 300 000 Menschen im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten der „Euthanasie“ der Nazis zum Opfer gefallen.45
Die Morde begannen 1939, während zugleich die Zahl der Zwangssterilisierungen abnahm.46

„Kinder-Euthanasie“

Die ersten Opfer des „Euthanasieprogramms“ waren Kinder mit schweren Behinderungen.47 Noch vor der heute bekannteren Mordaktion „T4“ wurden ab 1939 Neugeborene mit z. B. Trisomie 21, einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte oder einem „Wasserkopf“ von Hebammen und Ärzten dem neu eingerichteten „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten Leiden“48 gemeldet. Dessen zwei nichtmedizinische Bearbeiter und drei ärztliche Gutachter entschieden nach einer Sichtung des Meldebogens über die Tötung der Kleinkinder. Bei Uneinigkeit darüber, ob das Kind „entwicklungs-, bildungs- und arbeitsfähig“ ist, wurde es zur Beobachtung in eine der über 30, ab 1940 eingerichteten „Kinderfachabteilungen“ an Kliniken und Heilanstalten eingewiesen.49 Seine Eltern wurden mit dem Hinweis auf die bestmögliche, wenn auch medizinisch riskante Betreuung des Kindes zur Einwilligung gedrängt,50 und wenn nötig, wurden sie mit einem möglichen Entzug des Sorgerechts unter Druck gesetzt, zuzustimmen.51
Eine dieser Kinderfachabteilungen befand sich in der Landesheilanstalt Stadtroda bei Jena, deren Direktor Dr. Gerhard Kloos von der oben erwähnten Schrift von Binding und Hoche entscheidend geprägt wurde52 und beisitzender Richter am Erbgesundheitsobergericht Jena war. Kloos und seine Abteilungsleiterin der Kinderfachabteilung Margarete Hielscher sorgten jedoch schon vor der offiziellen Einrichtung der Kinderfachabteilung 1942 für hohe Sterberaten unter den Kindern der Heilanstalt.53
Im Rahmen der geheimgehaltenen reichsweiten „Kinder-Euthanasie“ wurden zwischen 1939 und 1945 mindestens 5000 Kinder durch Medikamentenüberdosis oder -entzug, durch Nichtbehandeln von Erkrankungen wie akuten Magen-Darm-Infekten oder auch durch Verhungernlassen ermordet.54

Aktion T4

Neben der Durchführung der „Kinder-Euthanasie“ wurden 1939 die organisatorischen Voraussetzungen für einen Massenmord an erwachsenen Patientinnen und Patienten von Heilanstalten geschaffen. Diese Mordaktion wurde nach der Adresse ihrer Koordinationszentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4 benannt: „T4“. Der „Aktion T4“ fielen 1940 und 41 mehr als 70 000 Menschen zum Opfer. In wessen „Meldebogen“ von ärztlichen Gutachtern, die an ihrem Schreibtisch lediglich auf Grundlage einiger Notizen auf Papier über Leben und Tod entschieden, ein „Plus“ vermerkt wurde, der wurde verlegt nach Sonnenstein bei Pirna, Hadamar bei Limburg, Grafeneck, Brandenburg a.d. Havel, Bernburg a.d. Saale oder Hartheim bei Linz – die Tötungsanstalten waren über das ganze Reich verteilt. Dort organisierten Ärzte ihre Ermordung in eigens eingerichteten Gaskammern. Die Sprachregelung, von „Hygiene“ zu reden, wenn eigentlich ein Massenmord bezeichnet wird, setzt sich bei der Bezeichnung des Tötungsvorgangs fort: Die Nazis nannten dies „desinfizieren“.55 Auch die Thüringer Kliniken Blankenhain, Hildburghausen, Pfafferode bei Mühlhausen und Stadtroda verlegten Patientinnen und Patienten – teils über die Zwischenstation Zschadraß – in die Tötungsanstalt Sonnenstein.56

Dezentrale „Euthanasie“

Trotz der geltenden Geheimhaltung konnten diese Vorgänge in den Tötungsanstalten der Bevölkerung nicht verborgen bleiben. Nach dem Protest von Angehörigen, von Kirchenvertretern wie Graf von Galen57 1941 und dem mutigen Widerstand des Vormundschaftsrichters Lothar Kreyssig58 1940 wurde die Aktion T4 von Hitler im August 1941 gestoppt. Einige Monate nach dem „offiziellen“ Ende ging das Töten in den Anstalten allerdings weiter – mit dem Unterschied, dass es nunmehr dezentral organisiert und die Entscheidungen über Leben und Tod hauptsächlich von den Ärzten und Direktoren der Anstalten getroffen wurden. Auch die Mittel änderten sich. Getötet wurde nicht mehr in Gaskammern, sondern mittels Nahrungsentzug, Medikamentenüberdosen und absichtlicher Fehlbehandlung von Krankheiten.59

Mehrere „Aktionen“ folgten und setzten den Krankenmord fort: Im Rahmen der „Aktion 14f13“60 wurden nicht mehr arbeitsfähige KZ-Häftlinge in den Anstalten Sonnenstein, Hartheim und Bernburg ermordet. Die nach dem Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen und Hitlers Arzt Karl Brandt benannte „Aktion Brandt“ sah vor, Anstalten zu Behelfskrankenhäusern umzuwidmen. Ihre Insassen wurden in bestimmten Anstalten konzentriert, dort verhungerten sie oder wurden durch eine Medikamentenüberdosis ermordet. Auf die Eroberung polnischer, lettischer und sowjetischer Gebiete durch die Wehrmacht folgte die Erschießung oder Vergasung von Insassen der dortigen Anstalten.

Die Erkenntnisse aus der Aktion T4, aber auch die durch ihre Erfahrung gefragten „Fachkräfte“ der „Euthanasie“ wurden eingesetzt für die Vergasung der europäischen jüdischen Bevölkerung ab 1942 in den polnischen besetzten Gebieten. Dem ersten nationalsozialistischen Massenmord an Menschen mit psychischen, physischen oder seelischen Beeinträchtigungen, an Kranken und Unangepaßten, folgte mit dem Holocaust ein Genozid in unvorstellbaren Ausmaßen. Das verbindende Glied all dieser Morde ist – neben der personellen und technischen Verflechtung – die rassistische und sozialdarwinistische Ideologie der „Volksgemeinschaft“, die für die Ausgeschlossenen letztlich nur die Versklavung oder Vernichtung vorsah.
Die Verschränkung von Euthanasiemorden und Holocaust zeigt sich in besonderem Maße im Schicksal des Weimarer Mädchens Erika Haase.

Das kurze Leben eines Pflegekindes

Erika Haase schwebte seit ihrer Geburt in großer Gefahr. Im Januar 1936 kam sie in Weimar auf die Welt, und als uneheliches Kind einer jüdischen Mutter hatte sie kaum Chancen, die Nazizeit zu überleben. Damals standen unehelich geborene Kinder – also auch Erika und ihre ältere leibliche Schwester Karin – unter amtlicher Vormundschaft, waren also dem Zugriff durch den NS-Staat direkt ausgesetzt.62
Erika haftete nicht nur der vermeintliche Makel der unehelich Geborenen an, sie galt zudem als „Halbjüdin“ oder, wie es im NS-Jargon auch heißt, „Mischling“. Erikas Mutter Elsbeth, die schon eine zweijährige Tochter hatte, gab das Mädchen offenbar rasch in eine Pflegefamilie und kehrte mit Karin in ihre Heimatstadt Berlin zurück. Dort heiratete Elsbeth Haase 1938 den Kellner Max Keins, der daraufhin Karin seinen Nachnamen erteilte.63 1939 kam Sohn Bela auf die Welt.
Die Haases stammten ursprünglich aus dem (heute) polnischen Lubosch bei Posen und waren in Berlin in das jüdische Gemeindeleben eingebunden – zumindest die ältere Generation. Ein entfernter Verwandter der Haases, der nach New York flüchtete, berichtete 1960, die Familie sei „für ihre soziale und gesellschaftliche Tätigkeit bekannt [gewesen], insbesondere für die in ihrer Nähe gelegene Synagoge am Kottbusser Ufer. In ihrem Hause trafen sich die Landsleute meines Onkels, der aus Ostrowo-Posen stammte und ich entsinne mich, dass dort stets ein aktives gesellschaftliches Leben geherrscht hat.“64
Alphonse Haase, der Bruder von Elsbeth, floh 1938 über Frankreich in die USA und kehrte – außer als Soldat – nicht wieder nach Europa zurück. Er war der einzige Überlebende der Familie Haase, Kinder hatte er keine. Seine Schwester Elsbeth lebte mit ihrem Mann Max Keins und den beiden Kindern Bela und Karin in der Kantstraße 18 in Berlin. Im August 1941 wurde Karin in Berlin evangelisch getauft. Die gesamte Familie wurde im Dezember 1942 von Berlin nach Auschwitz deportiert. Auch Elsbeths und Alphonse’ Stiefmutter Amalie Haase, geb. Rosenbaum, mußte ihr Zuhause in der Admiralsstraße 18 1942 verlassen und wurde mit einem Alterstransport nach Theresienstadt deportiert.

Erika war als „Mischling“ eine Zeitlang besser geschützt als ihre Mutter. Sie hatte das Glück, mit Charlotte Schölzel eine liebende Pflegemutter zu bekommen.65

Charlotte Schölzel (LATh-HStA Weimar, Altregistratur Nr. 1451, Bl. 4r (Ausschnitt))

Die kleine Dreizimmerwohnung der Schölzels in der Karlstraße 7 wurde ihr Zuhause. Erika war das Nesthäkchen, ihre beiden Pflegeschwestern waren 9 bzw. 11 Jahre älter. Gerhard Schölzel, Charlottes zweiter Ehemann, arbeitete als Zimmermann, bis er in die Wehrmacht einberufen wurde. Um zum Unterhalt der Familie beitragen zu können, verdingte sich Charlotte Schölzel ab 1940 als Reinigungskraft.66
Mit sechs Jahren wurde Erika im August 1942 in die damalige Fritz-Wächtler-Schule (heute Jenaplanschule) eingeschult. Auf ihrem Schulbogen ist vermerkt, sie sei evangelischen Glaubens.
Wegen teils mangelhafter Leistungen im zweiten Schulhalbjahr sollte Erika die erste Klasse wiederholen, ihre Leistungen verbesserten sich dann merklich. Dennoch merkt ihre neue Klassenlehrerin am Ende des ersten Halbjahrs an, dass das Kind oft „ungehörig“ sei.

Das „Erziehungsheim“ in einer Tötungsanstalt

Wie es dann dazu kam, ist nicht mehr nachzuvollziehen, doch ist in ihrer Patientenakte aus Hadamar vermerkt, dass Erika am ersten März 1944 ihre Pflegefamilie verließ und in die Landesheilanstalt Hadamar umzog.

Umschlag der Patientenakte zu Erika Haase der Landesheilanstalt Hadamar (LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 000)

Es hieß, sie käme in ein „Erziehungsheim“ – das aber bestand inzwischen nur noch auf dem Papier und diente nie Erziehungszwecken: In Hadamar wurden 1943 „Mischlingskinder“, auf die der Staat Zugriff durch das Fürsorgewesen hatte, in diesem „Erziehungsheim“ gesammelt. Dahinter stand der Gedanke, auch in der Fürsorgeerziehung, besonders in den Heimen, eine klare Trennung zwischen „Deutschblütigen“ und „Mischlingen“ herzustellen.67 Behörden des ganzen Reichs sollten Kinder dorthin senden, in manchen Regionen sind sie der Anweisung rasch nachgekommen, andere haben gar nicht reagiert.68

Nach beharrlichem Insistieren durch die Vormünder und Familien einiger der ersten Kinder, die in das „Erziehungsheim“ verbracht wurden, teilte das Reichsministerium des Innern im August 1943 den Jugendämtern mit, dass Kinder, die sich zwar in Fürsorgeerziehung befanden, jedoch bei ihren Eltern oder Großeltern lebten, und auch Kinder, die nur noch kurze Zeit in Fürsorgeanstalten verbringen sollten (sei es wegen Unerziehbarkeit, sei es, weil sie die Altersgrenze bald erreichen würden), nicht mehr nach Hadamar geschickt werden durften. Das „Erziehungsheim“ blieb Heimkindern vorbehalten.69 Insofern ist es bemerkenswert, dass ein halbes Jahr später jemand in Weimar die Einweisung des Pflegekindes Erika Haase veranlasste. Wer hierfür verantwortlich ist, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Erikas Wohlfahrtsamtsakte ist inzwischen vernichtet oder verloren. Nur ihre Hadamarer Patientenakte gibt noch mageren Aufschluß darüber, was mit der Achtjährigen passierte.

Auf ihrem Aufnahmebogen ist die vorgedruckte Bezeichnung „geisteskranke“ durchgestrichen und durch „Jüd. Mischling“ ersetzt.70

Aufnahme der persönlichen Daten (LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 001)

In anderen Unterlagen der Akte wurde Erika dennoch die Diagnose „Geisteskrkh.“ zugeschrieben71 – eine der Standarddiagnosen, die der leitende Arzt Adolf Wahlmann den Kindern des „Erziehungsheims“ gab. So wurde vorgetäuscht, dass sie aus gesundheitlichen Gründen in die Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen wurden.72 Da das Heim als räumliche Institution seit September 1943 nicht mehr bestand, kam Erika in der Anstalt bei den anderen Patientinnen unter.

Finanzielle Interessen

Das Weimarer Wohlfahrtsamt übernahm, wie bei der Heimunterbringung von Fürsorgezöglingen üblich, die Verpflegungskosten von täglich 2,50 RM. Hier liegt auch der Grund, weswegen das „Erziehungsheim“ überhaupt in der Landesheilanstalt Hadamar eingerichtet wurde: Um eine Trennung der „arischen“ Kinder und der „Mischlingskinder“ in den Fürsorgeheimen zu ermöglichen, fragte das Reichsministerium des Inneren 1943 bei mehreren Fürsorgeerziehungsbehörden an, ob sie „Mischlingskinder“ separat unterbringen können.73 Der Landesrat des Bezirksverbands Nassau, Fritz Bernotat, sah darin – wie auch schon zuvor in der Beteiligung an der Aktion T4 – die Möglichkeit, Einnahmen für den Bezirksverband als dem Betreiber der Anstalt zu generieren, denn für die Unterbringung und Versorgung der Patienten aus anderen Regionen mußten auswärtige Behörden aufkommen.74
Bernotats Ziel war, die Anstalt Hadamar möglichst profitabel und im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie zu betreiben.75 Unter diesen Umständen gab es für die nach Hadamar eingewiesenen Patientinnen und Patienten kaum ein Entkommen, 90 Prozent von ihnen wurden ermordet.76 Die Landesheilanstalt Hadamar war eine Tötungsanstalt, die in die Aktion T4, die Aktion Brandt, in Ermordungen von kranken Zwangsarbeitern und Psychiatriepatienten eingebunden war. Die Tötungstermine wurden bestimmt von Verlegungen aus anderen Anstalten und dem sich hieraus ergebenden jeweiligen Bettenbedarf.

Kostenübernahmeschein des Weimarer Wohlfahrtsamtes (LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 002)

Die Vernichtung der Kinder des „Erziehungsheims“ wurde nicht explizit vom Reichsministerium des Inneren angeordnet, doch die Einrichtung des „Heims“ in Hadamar bedeutete den Tod der meisten Kinder. Nur fünf der 42 Fürsorgezöglinge, die in das „Erziehungsheim“ eingewiesen wurden, überlebten. Ihre Angehörigen und Vormünder protestierten hartnäckig und gingen anwaltlich gegen die Unterbringung der Kinder in Hadamar vor.

Mord durch Medikamentenüberdosis

Kurz nach Erikas Ankunft in Hadamar schreibt ihre Pflegeschwester Christa im Namen ihrer Mutter einen Brief an den Anstaltsleiter und erbittet Auskunft: „1.) Wielange [sic] muß das Kind in der Anstalt bleiben? 2.) Darf sie ihre eigenen Sachen tragen? 3.) Dürfen wir ihr noch Kleider u. Spielsachen schicken? 4.) Darf das Kind wenigstens einmal im Jahr besucht werden?“ Dann erklärt die junge Frau: „Meiner Mutter ist es leider nicht möglich selbst zu schreiben, da sie seelisch vollkommen herunter ist. Also haben Sie Erbarmen mit einer unglücklichen Mutter die sehnsüchtig auf ein paar Zeilen wartet.“77

Brief der Schwester an die Heilanstalt Hadamar (LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 006b)
Brief der Schwester an die Heilanstalt Hadamar (LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 006a)

Vergebliche Bitten. Der Chefarzt Adolf Wahlmann antwortet ihr in vier knappen Zeilen – über die Aufenthaltsdauer könne noch nichts gesagt werden, Besuche seien vorläufig nicht möglich „wegen der Überlastung der Bahn“.78

Antwort aus Hadamar (LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 005a)

Am 25. März dann verfasste Wahlmann ein in seinen Formulierungen standardisiertes Schreiben an Charlotte Schölzel: „Ihr Pflegekind Erika ist an einer Lungenentzündung mit hohem Fieber plötzlich schwer erkrankt. Da Herzschwäche besteht, ist Lebensgefahr nicht ausgeschlossen. Besuch ist gestattet!“79

Brief aus Hadamar vom 25.3.1944 (LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 021)

Charlotte Schölzel versuchte, möglichst rasch die Fahrt nach Hadamar zu organisieren, doch in Kriegszeiten war eine solche kurzfristige Reise schwierig zu bewerkstelligen. Damit rechnete der Oberarzt Wahlmann: Die Besuchserlaubnis sollte lediglich die Glaubwürdigkeit eines zweiten Telegramms erhöhen, das am 27. März, zwei Tage nach dem ersten Schreiben mit dem Hinweis auf eine lebensgefährliche Erkrankung, folgte:80

„Zu unserem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass Ihr Pflegekind Erika Haase heute in der hiesigen Anstalt verstorben ist. Wir bitten um sofortigen telefonischen Bescheid unter Hadamar 230, ob Ihr Pflegekind hier auf unserem Anstaltsfriedhof beigesetzt oder eine Feuerbestattung vorgenommen werden soll. Eine Überführung der Leiche kann z. Zt. nicht erfolgen. Sollte eine Feuerbestattung erwünscht werden, so bitten wir um telegr. Überweisung von RM. 300,-.“81

Die auch auf einer Art Totenschein82 der Anstalt angeführte Todesursache „Lungenentzündung“ lässt auf den wirklichen Hergang schließen: Typischerweise wurden Luminal, Veronal oder Morphium gespritzt. Das Beruhigungsmittel Luminal führte in Überdosis zu einer tödlichen Lungenentzündung. Erika Haase wurde das Mittel möglicherweise schon gespritzt, bevor der erste Brief aus Hadamar überhaupt bei ihrer Familie ankam.83 An ihrem Todestag starben auch drei weitere Kinder des vermeintlichen „Erziehungsheims“.84

Charlotte Schölzel kommt am 28. März in Hadamar an. Sie entscheidet sich für eine Feuerbestattung und bittet am 31. März noch einmal schriftlich „um baldige Übersendung der Sachen“ ihres Pflegekindes. Vom 3. April ist der Entwurf einer Antwort an sie mit einer Aufstellung der Sachen erhalten – ob die Dinge je abgeschickt wurden oder verlorengingen, ist nicht ersichtlich. Die trauernde Charlotte Schölzel jedenfalls muss ihre Bitte Mitte April wiederholen, da Erikas Sachen noch immer nicht bei ihr angekommen sind.

Die Liste85 ist ist das Fassbarste, das von Erika Haase selbst bekannt ist. Sie nahm nach Hadamar mit:

„1 Mäntelchen, 2 Paar Schuhe, 1 Paar Hausschuhe, 3 Paar Strümpfe, 4 Paar Söckchen, 1 Paar Handschuhe, 1 Ledertäschchen, 1 Schulranzen mit Inhalt, 6 Höschen, 1 Taschentuchbehälter mit 10 Taschentücher[n], 2 Leibchen, 6 Kleider, 2 Tafeln, 1 Schlafanzug, 6 Hemdchen, 4 Unterröckchen, 3 Mützen, 1 Puppe, 4 gestr. Jäckchen, 2 Bänder, 2 Halstücher, 2 Schürzen, 2 Röckchen, 1 Bluse.“

Text: svdf

Quellen

Archive:
Stadtarchiv Weimar
StadtAW 12/6-61-14
StadtAW 12/2-26-7
StadtAW 12/6-61-23
StadtAW 12/5–55–48
StadtAW 6-61-24/1 (Krankenbuch-Nr. 412/39)

Sterberegister der Stadt Weimar 1918 und 1947

Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar
LATh–HstAW, Thüringisches Justizministerium 647
LATh-HStAW, Thüringisches Justizministerium 650
LATh-HStAW, Thüringisches Justizministerium 648
LATh-HStAW, Altregistratur Nr. 1451 und 1647, Personalakten

Patientenakte Erika Haase, Archiv des Landeswohlfahrtsverbands Hessen, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase)
Entschädigungsamt Berlin, 12–767/65

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
Individuelle Häftlings Unterlagen – KL Buchenwald, Frauen, Signatur 01010504 oS
Häftlingspersonalkarten KL Buchenwald, Signatur 010105041
Arbeitskarte KL Buchenwald, Signatur 010105046
Effektenkarte KL Buchenwald, Signatur 010105044
Effektenliste von Transport aus KL Ravensbrück nach KL Buchenwald (weibliche Häftlinge) – 01.09.1944, Signatur 814279911
Zugangslisten aus verschiedenen Konzentrationslagern in das KL Ravensbrück, Veränderungsmeldungen, 1938-1944, Signatur 8143899

Online:

https://www.bpb.de/izpb/137211/volksgemeinschaft?p=all
https://www.gedenkort-t4.eu/de/wissen/was-heisst-eugenik
https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/eugenik/22845
https://www.inklusion-als-menschenrecht.de/nationalsozialismus/materialien/behinderung-krankheit-und-euthanasie-im-nationalsozialismus/euthanasie-text-binding-und-hoche/
https://www.bpb.de/politik/innenpolitik/innere-sicherheit/135221/wie-entsteht-kriminelles-verhalten
http://weimar-im-ns.de/ort22.php
https://www.mdr.de/zeitreise/ns-zeit/zwangssterilisation-in-der-ns-zeit-100.html
https://zs.thulb.uni-jena.de/receive/jportal_jpvolume_00121569 (Adressbücher der Stadt Weimar 1926 bis 1942)
https://www.thueringer-allgemeine.de/regionen/weimar/burger-king-in-weimar-ist-eroeffnet-id227059305.html
http://www.gedenkstaette-breitenau.de/1874.htm
https://jugend1918-1945.de/portal/Jugend/thema.aspx?bereich=projekt&root=26636&id=1611&redir=
http://media.offenes-archiv.de/ha2_1_2_thm_2347.pdf (Vorbeugungshäftlinge und Sicherungsverwahrte im KZ Neuengamme, hg. v. KZ-Gedenkstätte Neuengamme)
http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf_2/DE_DE_WK2_strassmann_zwangsarbeiter.pdf
https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Artikel/Ueber-uns/Aus-unserer-Arbeit/euthanasie-im-dritten-reich.html
https://www.gedenkort-t4.eu/de/wissen/aktion-t4
https://www.aerzteblatt.de/archiv/24708/NS-Kindereuthanasie-Ohne-jede-moralische-Skrupel
https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/295244/ns-euthanasie
http://www.galen-archiv.de/index.php?option=com_content&view=article&id=4&Itemid=18
https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/lothar-kreyssig/?no_cache=1
https://www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/nl-beh/newsletter-behindertenpolitik-nr55-zweite-phase-aktion-14f13-1944.pdf
https://www.mahnmal-koblenz.de/index.php/aufsaetze/43-die-vernichtung-lebensunwerten-lebens

Print:

Armin Trus, Die „Reinigung des Volkskörpers“. Eugenik und „Euthanasie“ im Nationalsozialismus, Berlin 2019, Metropol

Uwe Hoßfeld, Rassenkunde und Rassenhygiene im „Mustergau“ 1930-1945, Reihe: Thüringen – Blätter zur Landeskunde, hg. v. d. Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt 2004

Susanne Zimmermann (Hg.): Überweisung in den Tod. Nationalsozialistische „Kindereuthanasie“ in Thüringen, Quellen zur Geschichte Thüringens, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt 2010

Ernst Klee, „Euthanasie“ im NS-Staat, FfM 1983, Fischer

Wohin bringt ihr uns? „Euthanasie“-Verbrechen im Nationalsozialismus, Programmheft zur Sonderausstellung, Erinnerungsort Topf & Söhne, 2020

Gisela Bock: Zwangssterilisation im Nationalsozialismus. Studien zur Rassenpolitik und Geschlechterpolitik, Münster 2010, MV Wissenschaft (https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/23087/Zwangssterilisation_im_Nationalsozialismus.pdf)

Bettina Irina Reimers: Die Neue Richtung der Erwachsenenbildung in Thüringen 1919 – 1933, Dissertation, Tübingen 2000 (https://d-nb.info/963192027/34)

Martin Eberhard, Die Kriminalpolizei 1933 – 1939 (Magisterarbeit), Konstanz 1999 (http://kops.uni-konstanz.de/bitstream/handle/123456789/11642/435_1.pdf?sequence=3)

Matthias Wanitschke (Hg.): Archivierter Mord. Der SED-Staat und die NS-„Euthanasie“-Verbrechen in Stadtroda, Quellen zur Geschichte Thüringens, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt 2005

Ingo Harms: Biologismus – Zur Theorie und Praxis einer wirkmächtigen Ideologie, BIS-Verlag, Oldenburg 2011, S. 64 (http://oops.uni-oldenburg.de/1140/1/harbio11.pdf)

„Euthanasie“ im NS-Staat: Grafeneck im Jahr 1940, hg. v. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, 2000 (https://www.lpb-bw.de/publikationen/euthana/euthana17.htm)

Wolf Gruner: „Öffentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung“, in: Studien zur Zeitgeschichte 62, De Gruyter 2002 (https://doi.org/10.1524/9783486594829)

Ingo Wille (Hg.): Transport in den Tod, Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg 2017 (https://epub.sub.uni-hamburg.de//epub/volltexte/2019/92007/pdf/transport_in_den_tod_buch.pdf)

Peter Sandner: Verwaltung des Krankenmordes, Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbands Hessen, Gießen 2003, Psychosozial-Verlag (https://www.lwv-hessen.de/fileadmin/user_upload/daten/Dokumente/4-Geschichte_Gegenwart/Publikationen_nicht_barrierefr/Peter_Sandner_Verwaltung_des_Krankenmordes.pdf)

Film:
Catherine Bernstein: Das Euthanasie-Programm der Nazis. Aktion T4, Zadig Productions 2014

Unveröffentlichtes:
Lisa Caspari: Zwischen Holocaust und Euthanasie – Das Schicksal jüdischer Fürsorgezöglinge in Hadamar (unveröffentlichte Masterarbeit), München 2017

Rechercheunterlagen von Udo Wohlfeld

Mailverkehr zwischen dem Lernort Weimar und Lutz Kaelber, Associate Professor am Department of Sociology, University of Vermont (Sammlung Lernort Weimar e.V.)

Endnoten

1 Stadtarchiv Weimar (StadtAW), 12/6-61-14, Bl. 2–4

2 Vgl. https://www.bpb.de/izpb/137211/volksgemeinschaft?p=all

3 So schreibt Joseph Goebbels schon am 23. Juni 1928 in einem Leitartikel für die Zeitschrift „Angriff“: „Wir sind keine Gleichmacher und Menschheitsanbeter. Wir wollen Schichtung des Volkes, hoch und niedrig, oben und unten.“

4 Vgl. https://www.bpb.de/izpb/137211/volksgemeinschaft?p=all

5 Der Bereich der Rassenpolitik eignete sich besonders gut für die eigene Profilierung. Armin Trus nennt hierfür bezugnehmend auf Broszat mehrere Gründe: „Sie war vom ‘Führer’ als wesentliche Aufgabe der ‘Bewegung’ definiert, stellte wegen mangelnder empirischer Grundlagen ein wissenschaftliches Experimentierfeld dar und verhieß darüber hinaus wenig gesellschaftlichen Widerstand, da sie ‘sich gegen die ohnehin gesellschaftlich geächteten Gruppen der Erbkranken und Juden’ richtete.“
Vgl. Armin Trus, Die „Reinigung des Volkskörpers“. Eugenik und „Euthanasie“ im Nationalsozialismus, Berlin 2019, Metropol, S. 83

6 Ab 1935 hieß es „Institut für menschliche Erbforschung und Rassenpolitik“. Es blieb bis 1945 bestehen. Vgl. Uwe Hoßfeld, Rassenkunde und Rassenhygiene im „Mustergau“ 1930-1945, Reihe: Thüringen – Blätter zur Landeskunde, hg. v. d. Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt 2004.

7 Eugenik ist die Theorie der Verbesserung der menschlichen Erbguts, vgl. https://www.gedenkort-t4.eu/de/wissen/was-heisst-eugenik. Für eine knappe fachliche Auseinandersetzung siehe auch https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/eugenik/22845.

8 Plötz schreibt 1895: „Besonders für Dinge wie Krankheits- und Arbeitslosen-Versicherung, wie die Hülfe des Arztes, hauptsächlich des Geburtshelfers, wird der strenge Rassenhygieniker nur ein missbillligendes Achselzucken haben. Der Kampf um’s Dasein muss in seiner vollen Schäfe erhalten bleiben, wenn wir uns rasch vervollkommnen sollen […]“. Trus, S. 50, vgl. auch S. 42. Freilich ist die Forderung, im Rahmen sozialpolitischer Maßnahmen ethischen Überlegungen keine Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, selbst eine ethische Positionierung. Statt zu vereinfachen, wird hier verschleiert.

9 Vgl. https://www.inklusion-als-menschenrecht.de/nationalsozialismus/materialien/behinderung-krankheit-und-euthanasie-im-nationalsozialismus/euthanasie-text-binding-und-hoche/

10 Zwar blieben die Vertreter der „Euthanasie“ während der Weimarer Republik in der Minderheit, doch wurde die Sterilisation von Anstaltsinsassen in den USA wie auch in Europa durchaus zustimmend diskutiert und in einigen Ländern schon durchgesetzt. Die eugenischen Maßnahmen der Nazis und die Geschwindigkeit, mit der sie sie realisierten, setzen freilich neue Maßstäbe. Vgl. Trus. S 57 f.

11 Vgl. Martin Eberhard, Die Kriminalpolizei 1933 – 1939 (Magisterarbeit), Konstanz 1999, S. 85, http://kops.uni-konstanz.de/bitstream/handle/123456789/11642/435_1.pdf?sequence=3

12 Dies geht zurück auf die 1885 – gegen Jean Baptiste Lamarck – aufgestellte These des Zoologen August Weismann, derzufolge die genotypische Veranlagung des Menschen im Wesentlichen unveränderlich, also auch durch Umwelteinflüsse und erworbene Eigenschaften nicht beeinflußbar sei. Das führte bei manchen Eugenikern zur Forderung, „minderwertige“ Erbanlagen „auszumerzen“. Vgl. Trus, S. 44.
Auf der Basis der Arbeiten des italienischen Arztes Cesare Lombroso, auf den sich die Nationalsozialisten später beriefen, stellte sein Schüler Enrico Ferri Ende des 19. Jahrhundertes die These vom „geborenen Verbrecher“ auf, der an äußeren Merkmalen erkennbar sei. Vgl. https://www.bpb.de/politik/innenpolitik/innere-sicherheit/135221/wie-entsteht-kriminelles-verhalten

13 LATh–HstAW, Thüringisches Justizministerium Nr. 647, Bl. 98. Wie erfolgreich die NS-Propaganda war, zeigt sich daran, dass sich auch einige wenige Menschen freiwillig zur Unfruchtbarmachung meldeten, da sie sich zu diesem persönlichen „Opfer für die Volksgemeinschaft“ verpflichtet fühlten.

14 Vgl. Trus, S. 84

15 Ernst Klee, „Euthanasie“ im NS-Staat, FfM 1983, Fischer, S. 38. Wie aus einem Schreiben aus Gera hervorgeht, wurde genau hingesehen, welcher Arzt viel und welcher gar nicht oder kaum Fälle meldet. Auch waren die praktischen Ärzte „mehrfach schriftlich und mündlich an ihre Pflicht gemahnt worden“. LATh-HStAW, Thüringisches Justizministerium 650, Bl. 107r

16 LATh-HStAW, Thüringisches Justizministerium 648, Bl. 177

17 StadtAW 12/2-26-7, Schreiben des Amtsarztes vom 29.11.1940

18 LATh–HStA Weimar, Thüringisches Justizministerium Nr. 650, Bl. 107 f.

19 Catherine Bernstein: Das Euthanasie-Programm der Nazis. Aktion T4, Zadig Productions 2014, Min. 10:40

20 Vgl. Uwe Hoßfeld, Blätter zur Landeskunde.

21 299 der 851 Meldungen wurden nicht weiterverfolgt, da sich die Betroffenen ohnehin in „Dauerverwahrung“ befanden – d. h., sie waren in Anstalten untergebracht und daher unter Aufsicht. 44 der 851 Gemeldeten waren vermutlich des Alters wegen nicht in der Lage, Kinder zu zeugen, und 19 der Gemeldeten waren mit unter zehn Jahren zu jung. Als „unbegründet“ galten lediglich neun Anzeigen. LATh–HstA Weimar, Thüringisches Justizministerium Nr. 650, Bl. 131 f.

22 Ebd., Bl. 132.

23 Vgl. Uwe Hoßfeld, Blätter zur Landeskunde, und Wohin bringt ihr uns? „Euthanasie“-Verbrechen im Nationalsozialismus, Programmheft zur Sonderausstellung, Erinnerungsort Topf & Söhne, 2020, S. 4

24 Vgl. http://weimar-im-ns.de/ort22.php

25 https://www.mdr.de/zeitreise/ns-zeit/zwangssterilisation-in-der-ns-zeit-100.html

26 StadtAW 12/6-61-23, Nachweisung über gewährte Unterstützungen auf Grund des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses

27 Vgl. Gisela Bock: Zwangssterilisation im Nationalsozialismus. Studien zur Rassenpolitik und Geschlechterpolitik, Münster 2010, MV Wissenschaft, S. 61 f.; https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/23087/Zwangssterilisation_im_Nationalsozialismus.pdf

28 Vgl. StadtAW 12/5–55–48

29 Unter anderen bestanden in Thüringen 1939 die folgenden Heime für Minderjährige in Fürsorgeerziehung: das Beobachtungsheim in den Thüringischen Landesheilanstalten in Stadtroda, das Erziehungsheim zum Fischhaus in Meiningen (für Jungen), das Mädchenheim in Bad Köstritz, das Karl-Marien-Haus in Ebeleben, das Erziehungsheim Altengesees, das Anna-Luisen-Stift in Bad Blankenburg bei Rudolstadt, das Eckartshaus in Eckartsberga und die Anstalten Hephata im Kreis Kassel. Vgl. StadtAW 12/5–55–48, Bl. 84

30 Lisa Caspari: Zwischen Holocaust und Euthanasie – Das Schicksal jüdischer Fürsorgezöglinge in Hadamar (unveröffentlichte Masterarbeit), 2017, S. 49

31 StadtAW 12/5–55–48, Bl. 158

32 Caspari, S. 48 f.

33 StadtAW, 12/5-51-14, Bl. 70

34 Ihre Namen wurden geändert.

35 Vgl. StadtAW 12/5-55-48, Bl. 54 und Bl. 92 ff.; StadtAW 12/2-26-7, Bl. 38, Bl. 42 ff.; StadtAW 6-61-24/1 (Krankenbuch-Nr. 412/39); Adressbücher der Stadt Weimar 1926 bis 1942; Sterberegister der Stadt Weimar 1918 und 1947.

36 Das Blechbüchsenviertel existiert heute nicht mehr, es befand sich nordöstlich des Bahnhofs, östlich der heutigen Buttelstedter Straße liegend. Seine Notwohnungen wurden ursprünglich für Arbeiter der benachbarten Gustloff-Werke errichtet. Markant waren die Holzschindelverkleidungen der Häuser. Das Viertel wurde ab 2006 wegen zu hoher Sanierungskosten abgerissen. Vgl. https://www.thueringer-allgemeine.de/regionen/weimar/burger-king-in-weimar-ist-eroeffnet-id227059305.html

37 http://www.gedenkstaette-breitenau.de/1874.htm

38 StadtAW 2-26-7, Bl. 43 ff.

39 https://jugend1918-1945.de/portal/Jugend/thema.aspx?bereich=projekt&root=26636&id=1611&redir=

40 Vgl. Bettina Irina Reimers: Die Neue Richtung der Erwachsenenbildung in Thüringen 1919 – 1933, Dissertation, Tübingen 2000, S. 155; https://d-nb.info/963192027/34.

41 Seit 1933 konnten mehrfach Vorbestrafte zu „gefährlichen Gewohnheitsverbrechern“ erklärt werden. Gegen sie konnte Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Häufig betraf dies Kleinkriminelle, die aus wirtschaftlicher Not Eigentumsdelikte wie Betrug und Diebstahl begangen. Siehe Vorbeugungshäftlinge und Sicherungsverwahrte im KZ Neuengamme, hg. v. KZ-Gedenkstätte Neuengamme; http://media.offenes-archiv.de/ha2_1_2_thm_2347.pdf

42 StadtAW 6-61-24/1

43 Mark Spoerer schreibt in Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, DVA 2011: „Kein privatwirtschaftliches Unternehmen der deutschen Industrie, auch nicht die I.G.-Farben, war stärker in die Vernichtung durch Arbeit verstrickt als die HASAG.“ Vgl. http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf_2/DE_DE_WK2_strassmann_zwangsarbeiter.pdf

44 Vgl. Unterlagen des Arolsen-Archivs sowie StadtAW 12/5-55-48

45 https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Artikel/Ueber-uns/Aus-unserer-Arbeit/euthanasie-im-dritten-reich.html

46 Vgl. Susanne Zimmermann (Hg.): Überweisung in den Tod. Nationalsozialistische „Kindereuthanasie“ in Thüringen, Quellen zur Geschichte Thüringens, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt 2010, Einleitung S. 23.
Mit Kriegsbeginn fand auch in der „Rassenpolitik“ der Nazis eine Eskalation statt. Nunmehr wurde unerwünschtes Leben nicht nur überwacht, unterdrückt und mißhandelt, sondern immer häufiger auch ausgelöscht. Dabei betraf der „Übergang“ von Gewalt und Verfolgung zum organisierten Massenmord als erste nicht die jüdische Bevölkerung, sondern Kranke und Menschen mit Behinderungen. Vgl. https://www.gedenkort-t4.eu/de/wissen/aktion-t4

47 Vgl. https://www.aerzteblatt.de/archiv/24708/NS-Kindereuthanasie-Ohne-jede-moralische-Skrupel

48 Daher auch die Bezeichnung „Reichsausschusskinder“.

49 Vgl. Zimmermann, S. 26.

50 Vgl. Caspari, S. 69 f.

51 Vgl. Zimmermann, S. 26.

52 Matthias Wanitschke (Hg.): Archivierter Mord. Der SED-Staat und die NS-„Euthanasie“-Verbrechen in Stadtroda, Quellen zur Geschichte Thüringens, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt 2005, S. 133

53 Vgl. Zimmermann, S. 28.

54 Vgl. https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/295244/ns-euthanasie

55 Vgl. Ingo Harms: Biologismus – Zur Theorie und Praxis einer wirkmächtigen Ideologie, BIS-Verlag, Oldenburg 2011, S. 64; http://oops.uni-oldenburg.de/1140/1/harbio11.pdf

56 Mit Dank an Udo Wohlfeld, der uns seine Rechercheunterlagen zu Akten des Bundesarchivs in Berlin zur Verfügung stellte.

57 In seiner Predigt vom 3. August 1941 „Mit brennender Sorge“ heißt es: „Arme Menschen, kranke Menschen, unproduktive Menschen meinetwegen! Aber haben sie damit das Recht auf das Leben verwirkt? Hast du, habe ich nur so lange das Recht zu leben, solange wir produktiv sind, solange wir von den anderen als produktiv anerkannt werden? Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den ‘unproduktiven’ Mitmenschen töten darf, dann wehe uns allen […], dann ist keiner von uns seines Lebens mehr sicher. Irgendeine Kommission kann ihn auf die Liste der ‘Unproduktiven’ setzen, die nach ihrem Urteil ‘lebensunwert’ geworden sind. Und keine Polizei wird ihn schützen und kein Gericht seine Ermordung ahnden und den Mörder der verdienten Strafe übergeben!“, http://www.galen-archiv.de/index.php?option=com_content&view=article&id=4&Itemid=18

58 Vgl. https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/lothar-kreyssig/?no_cache=1

59 Vgl. „Euthanasie“ im NS-Staat: Grafeneck im Jahr 1940, hg.v. Landeszentrale für politische Bildung, 2000; https://www.lpb-bw.de/publikationen/euthana/euthana17.htm

60 Volker van der Locht erläutert 2014 im Newsletter Behindertenpolitik, dass „14f13“ „ein Aktenkürzel der Inspektion der Konzentrationslager beim Reichsführer SS [bezeichnet]. Zur Kategorie 14f zählten alle Akten, die mit dem Tod von Häftlingen zu tun hatten. Die zweite Ziffer gab die Todesursache an. […] 14f13 bezog sich auf das Aktenzeichen, das für die Tötung in den Mordzentren der ‘Euthanasie’ [stand] […].“ Vgl. https://www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/nl-beh/newsletter-behindertenpolitik-nr55-zweite-phase-aktion-14f13-1944.pdf

61 In Bernburg wurde auch Martin Wolff, der mit seiner Familie eine Zeitlang im Weimarer Ghettohaus am Brühl 6 lebte, ermordet.

62 Infolge der Nürnberger Gesetze kamen ab 1935 mehr uneheliche Kinder auf die Welt, die als „Mischlinge“ galten, da „gemischte“ Ehen zwischen jüdischen und „arischen“ Partnern nicht mehr geschlossen werden durften. Vgl. Wolf Gruner: „Öffentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung“, in: Studien zur Zeitgeschichte 62, De Gruyter 2002, S. 81; https://doi.org/10.1524/9783486594829.
Karins Vormund wurde Fritz Lamm, ein Beamter im Wohlfahrts- und Jugendamt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, der Sammelvormundschaften betreute. Auch Fritz Lamm wurde ermordet: Am 3. Dezember 1942 wurde er im KZ Sachsenhausen erschossen. (Mailverkehr mit Lutz Kaelber, 23.8.20 und 15.12.20) Erikas Vormund wurde Margarete Liss, die in Weimar lebte und kurz vor Erikas Tod verstarb. (Vgl. ihre Patientenakte aus Hadamar, Archiv des Landeswohlfahrtsverbands Hessen, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase))

63 Laut Auskunft des Standesamts Weimar in einer Mail von Lutz Kaelber vom 23.8.20.

64 Entschädigungsamt Berlin, 12–767/65, Bl. M30 f.

65 Dass sie überhaupt in einer – noch dazu „arischen“ –Pflegefamilie aufgenommen werden durfte, liegt an ihrer „frühen“ Geburt im Jahr 1936: Ein Runderlass des Reichsstatthalters von Thüringen ordnete im November 1936 an, dass Kinder, die als „Mischlinge ersten Grades“ galten – also wie Erika einen jüdischen Elternteil hatten – nur in jüdischen oder „Mischlingsfamilien“ in Pflege gegeben werden. Mangels solcher Pflegefamilien war eine Aufnahme in einem Heim für Waisenkinder bzw. jüdische Kinder für später als Erika geborene „Mischlingskinder“ wahrscheinlich. (Mail von Lutz Kälber vom 23.8.20/vgl. auch Joseph Walk: Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, UTB, 1996, S. 175)

66 Vgl. Personalakten im LATh-HStAW, Altregistratur Nr. 1451 und 1647

67 Caspari, S. 57

68 Lisa Caspari schreibt, dass Kinder „recht zügig“ aus Hessen, Nassau, Bayern und Braunschweig, später aus Berlin und Thüringen nach Hadamar geschickt wurden, das Rheinland jedoch niemanden verlegte. Vgl. S. 59

69 Caspari, S. 68. Dank auch an Lutz Kaelber für weitere Hinweise.

70 LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 1

71 LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 27a

72 Caspari, S. 113

73 Sandner, S. 659

74 Caspari, S. 60

75 Caspari, S. 63 und 103 f. Eine Konsequenz dieses ökonomisch-ideologischen Strebens bestand darin, dass in den T4-Tötungsanstalten oft Patientenakten gefälscht und insbesondere bei jüdischen Patienten Todesdaten auf dem Papier um Tage und Wochen nach hinten verschoben wurden, um Verpflegungskosten, die die „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ tragen musste, länger abrechnen zu können. Vgl. Ingo Wille (Hg.): Transport in den Tod, Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg 2017, https://epub.sub.uni-hamburg.de//epub/volltexte/2019/92007/pdf/transport_in_den_tod_buch.pdf

76 Caspari, S. 62

77 LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 17 und 18

78 LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 16

79 LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 21

80 Vgl. Caspari, S. 67 f.

81 LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 22a

82 LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 27a

83 Vgl. https://www.mahnmal-koblenz.de/index.php/aufsaetze/43-die-vernichtung-lebensunwerten-lebens

84 Für Rudolf Langen, Klaus Friedländer und Peter Widetzky wurden in Berlin Stolpersteine verlegt. Siehe https://www.stolpersteine-berlin.de/de/biografie/7604. Die drei gehörten zu einer Gruppe von fünf Jungen, die aus dem Berliner „Haus Kinderschutz“ nach Hadamar überwiesen wurden. Auch Gerhard Kopper und Horst Spieler starben dort, für sie liegen ebenfalls Stolpersteine in Berlin.

85 LWV-Archiv, K 12 Nr. 5028 (Erika Haase), Bl. 30a